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Apuleius, Der Goldene Esel

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Publiziert von Manesse, Bibliothek der Weltliteratur, 1960

 

Du wirst Dein Vergnügen haben, so will Apuleius seinen Leser verleiten, sich auf das Abenteuer einer Reise in Gestalt eines Esels durch die antike Mittelmeerwelt einzulassen. Und vergnüglich ist die Geschichte. Der ungläubige Lucius lässt sich aus unbezähmbarer Neugier mit einer Hexe ein und verwandelt sich selbst bei eine Versuch zu zaubern aus Versehen in einen Esel. Damit verändert sich seine Realität grundlegend. Er ist fortan seinen Besitzern gnadenlos ausgeliefert. Prügel sind noch das mindeste, das er erleidet. Er wird das Opfer von Willkür, Brutalität, sexueller Perversion; er leidet Hunger, Kälte und Schmerzen. Er sieht viel Schlechtes, wenig Gutes und bleibt in seiner Eselshaut trotzdem menschlicher als manch einer seiner Besitzer.

 

Wer nicht bei dieser oberflächlichen Handlung stehen bleibt, erlebt ein Verwirrspiel von philosophischer Diskussion, religiösen Vorstellungen und moralischen Fragen. Wie steht es zum Beispiel mit dem Wissensdrang, den man weniger vornehm auch als Neugier bezeichnen könnte? Ist es die Befriedigung der Neugier wert, Jahre lang in Gestalt eines Esels herumzuirren?

Und wie ist das mit dem wunderbaren, so häufig in der Kunst rezipierten, von Apuleius scheinbar grundlos eingestreuten Märchen von Amor und Psyche? Geht es um die Plage der Neugier? Die Macht der Liebe? Den Sinn des Lebens?

 

Apuleius Roman ist ein wunderbares Vexierspiel, das sich auf vielen Ebenen gleichzeitig ereignet. Es bietet dem Leser Unterhaltung oder Denkanstöße, je nachdem wie tief man sich auf das Buch einlässt. Und das macht den Roman zu einem Gleichnis für die damals in Rom modernste Form der Religion, die Mysterienreligion.

 

Gleich, ob Isis, Kybele, Christus, all diese Kulte hatten gemeinsam, dass sie auch ohne Hintergrundwissen für einen Außenstehenden attraktiv sein konnten. Doch für den Eingeweihten veränderte sich sein Leben grundsätzlich. Lucius erlebt im Roman so eine Wandlung. Die Geschichte endet, als ihn Kybele aus seiner Eselsgestalt befreit und er in die Mysterien der Isis eingeweiht wird.

 

In wie weit im Goldenen Esel Autobiographisches aus dem Leben des Apuleius eingeflossen ist, darüber streiten sich die Gelehrten. Apuleius war selbst ein neugieriger Mann, reich, gebildet, eingeweiht in die Mysterien der Isis. Wahrscheinlich wusste er sogar ziemlich viel über Zauberei. Dies wäre ihm beinahe zum Verhängnis geworden. Man klagte ihn an, aus Geldgier eine reiche Witwe mit Hilfe eines Liebeszaubers zur Einwilligung in die Ehe gezwungen zu haben. So ein Zauber war in Rom ein todeswürdiges Verbrechen. Es ging für Apuleius also um Leben und Tod, als er sich in einer später veröffentlichten Gerichtsrede von jeder Schuld reinwaschen konnte. Diese Rede gilt heute übrigens als unsere wichtigste Quelle für die magische Praxis der Antike.

 

Trotz seines Freispruchs ging Apuleius als großer Magier in die heidnische Überlieferung der Spätantike ein. Er wurde eine Art Gegen-Christus. Deshalb hat sich sein Werk erhalten. Schließlich mussten die Kirchenväter die Bücher kennen, die sie widerlegen wollten. Boccaccio war der erste, der den Unterhaltungswert des Goldenen Esels zu schätzen wusste. Er verarbeitete einige Episoden zu spannenden Novellen. Viele taten es ihm nach, nicht zuletzt Shakespeare mit seinem Sommernachtstraum, in dem die Hoffnung auf eine kleine Rente dem Schauspieler Zettel einen Eselskopf einträgt.

 

Ursula Kampmann

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