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George Orwell, Farm der Tiere

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Publiziert von Diogenes, 1973

 

„Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“ Dieses Zitat wird vielen Lesern bis heute bekannt sein, allerdings stammt es nicht, wie man vermuten könnte, aus George Orwells dystopischem Meisterwerk „1984“. Vielmehr ist es die Quintessenz seiner beunruhigenden und verstörenden Fabel „Farm der Tiere“, die bereits 1945 erschien. Dass wir in der Tat „alle gleich“ sind, zeigt dieses Werk so treffend wie kaum ein anderes.

 

„Farm der Tiere“ handelt von einer Revolution und den Verhältnissen, die sich danach einstellen – jedoch sind die Revolutionäre in diesem Fall allesamt Farmtiere. Da sie auf dem Hof von Mr. Jones schlecht behandelt werden und ihnen der alte Eber Old Major von einem Traum von Freiheit erzählt hat, ergreifen die Tiere eines Tages die Macht über die Farm und vertreiben ihren Herrn. Dabei sind vor allem die Schweine Napoleon und Schneeball die treibende Kraft. Sie gründen daraufhin die Philosophie des sogenannten Animalismus.

Es werden mehrere Gesetze erlassen, etwa, dass alles auf vier Beinen oder mit Flügeln Freund sei und alles mit zwei Beinen Feind. Ebenso wird verfügt, dass kein Tier Alkohol trinken, Kleider tragen oder in einem Bett schlafen soll und dass alle Tiere gleich sind. Anfangs scheint alles nach Plan zu verlaufen, doch schon bald beginnen die Schweine, vor allem Napoleon, sich Privilegien zu nehmen und nach und nach die Gesetze nach ihren Wünschen anzugleichen. Napoleon wird zu einem Diktator, unter dem es den Tieren vielleicht noch schlechter geht als unter Bauer Jones.

 

George Orwell (1903-1950) hat mit „Farm der Tiere“ ein Werk geschaffen, das sich zugleich auf sehr konkrete Sachverhalte bezieht und doch eine ganz allgemeine Parabel auf das immer gleiche Verhalten des Menschen darstellt. Zum einen handelt es sich bei dieser Fabel um eine Darstellung des Einzugs des russischen Kommunismus und Stalinismus, also der kommunistischen Revolution von 1917. Alle Tiere der Farm beziehen sich auf reale historische Figuren. Old Major steht beispielsweise für Lenin und Marx, Napoleon für Stalin, Schneeball verkörpert Trotzki. Die Hunde fungieren als Geheimpolizei, die Hühner als aufständische Bauern etc. Auch alle Ereignisse haben historische Pendants, wie etwa der Angriff auf die Windmühle durch Mr. Frederick, der im Buch Adolf Hitler repräsentiert.

 

Solch komplexe Vorgänge wie der Machtübernahme Stalins durch wenige Farmtiere darzustellen ist ein genialer Kniff von Orwell und dies ist sicher ein Grund, warum das Werk bis heute in Schulen und Universitäten gelesen wird. Doch auch wenn alle Figuren und Vorgänge im Buch historische Parallelen haben, kann „Farm der Tiere“ auch komplett ohne den kommunistischen Bezug gelesen und trotzdem als treffende Gesellschaftskritik empfunden werden. Denn Orwell präsentiert darin eine faszinierende, zeitlose Analyse von politischen Mechanismen innerhalb einer Masse, die nahezu universell auf die Menschheit übertragbar ist.

 

Wenn es Menschen schlecht geht, reicht es, sie genau damit zu ködern. Es bedarf lediglich einer redegewandten Person, die den Verdruss der Menschen aufgreift und behauptet, alles könne durch sie besser werden. Die Tatsache, dass sowohl in den USA als auch in Europa, wieder eine rechtspopulistische Bewegung zu verzeichnen ist, und das, obwohl der Nationalsozialismus nicht einmal hundert Jahre zurückliegt, ist ein konkreter Beweis dafür, dass bestimmte politische und ideologische Mechanismen sich stets wiederholen. Der Mensch scheint letztendlich eben doch an erster Stelle ein Herdentier zu sein …

 

Christina Schlögl

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