Die Billionen-Dollar-Krise
Die Finanzkrise, die im Herbst 2008 über die Welt hereinbrach und sich mittlerweile zu einer globalen Wirtschaftskrise ungewissen Ausgangs entwickelt hat, ist nicht aus dem Nichts gekommen und nicht die erste ihrer Art. In ihrem Ausmass aber ist sie von gigantischer Einmaligkeit.
Diese DVD erzählt die Chronik ihres Entstehens. Es ist die Geschichte eines Kartenhauses, das – auf Basis des realen Häusermarkts in den USA – immer schneller immer höher gebaut wurde, bis es schliesslich kollabierte und dabei ein bisher ungekanntes Quantum an Geld, Sicherheit und Vertrauen vernichtete ...
- 1 Intro
- 2 Die Billionen-Dollar-Krise
- 3 Die Investoren haben zu viel Geld
- 4 The American Dream und die Hypothekenkrise
- 5 Die Banken
- 6 Die Kreditverbriefung
- 7 Die Idee hatte Vorläufer
- 8 Die Derivate: Credit Default Swaps – aus Versicherungen werden Wetten
- 9 Die variablen Zinssätze
- 10 Die Subprime-Hypotheken
Die Billionen-Dollar-Krise – Von der US-Immobilienblase zur Weltwirtschaftskrise
Der Auslöser der Krise: Geplatzte US-Immobilienkredite. Jahrelang vergaben Hypothekenmakler und Banken Kredite in Milliardenhöhe an Verbraucher ohne jegliche Sicherheiten. In einem selbst für Finanzexperten undurchsichtigen Verfahren wurden sie in topsichere Wertpapiere verwandelt und von US-Investmentbanken rund um den Globus an Institutionen, Firmen und private Anleger verkauft, ohne dass diese ahnten, welches Risiko in ihren Portfolios schlummerte. «Collateralized Debt Obligations», kurz CDO, nennen sich diese Wertpapiere oder in der Sprache des Börsenparketts: Toxic Waste.
Das jahrelang boomende Geschäft platzt am 15. September 2008.
«I feel horrible, about what has happened to the company and it’s effects on so many …»
Nach 158 Jahren Geschäftstätigkeit meldet die viertgrößte US-amerikanische Bank Lehmann Brothers mit Verlusten in Höhe von 613 Milliarden Dollar Insolvenz an. Als Nächstes fegt es Goldman Sachs, Merrill Lynch und Morgan Stanley vom Parkett. Übernommen von Geschäftsbanken, geht damit die US-spezielle Rechtsform der Investmentbanken zu Ende.
Ihr Untergang löst weltweit ein wirtschaftliches Beben aus. Jeder, der jetzt in den Verdacht gerät, mit ihnen Geschäfte gemacht zu machen, steht über Nacht vor dem Abgrund. Egal ob der finanzielle Giftmüll im Spiel war oder nicht. So auch der «Reserve Primary Fund», einer der ältesten amerikanischen Geldmarktfonds. Obwohl nicht mit den faulen Papieren belastet, lösen Investoren schlagartig Anteile im Wert von rund 800 Millionen Dollar auf, so dass der Fonds zum ersten Mal in seiner Geschichte seinen verbleibenden Anlegern nicht einmal ihr Geld in der ursprünglich eingezahlten Höhe zurückzahlen kann.
Als kurz darauf mit der AIG das Aus der größten Versicherung der Welt folgt, ist klar: Nicht einzelne Finanzunternehmen stehen im Epizentrum der Krise. Fast alle Teilnehmer des Geldmarktes unterschiedlichster Wirtschaftszweige sind durch die brisanten Wertpapiere miteinander verwoben. Das gefürchtetste Monster der Finanzwelt ist entfesselt: Unsicherheit.
Der Vertrauensverlust in die Stabilität des Finanzsystems, die Angst, der nächste Geschäftspartner könne auch mit dem Toxic Waste belastet sein und zahlungsunfähig werden, veranlasst Investoren weltweit panikartig zur Rückgabe von Anteilsscheinen und Anlagepapieren in Wert von 100 Milliarden Dollar. Schlagartig steckt der Geldmarkt, quasi der Geldautomat für Banken, Konzerne und Versicherungen, von heute auf morgen in der Klemme, im «Credit Crunch».
Dort wo sich große Unternehmen innerhalb weniger Stunden Milliardenbeträge für ihre Geschäfte leihen, ist plötzlich kein Cent mehr zu holen. In Folge melden bis zum Jahresende allein in den USA 21 Banken Konkurs an, 11 Großbanken müssen vom Staat gerettet werden und 62 Hedgefonds gehen bankrott. Es ist der Ausbruch eines unüberschaubaren Flächenbrandes, der die gesamte Weltwirtschaft bedroht und bisher 50 Billionen Dollar Wertverlust an allen Börsen dieser Welt verursacht hat.
Die Investoren haben zu viel Geld
«Und die über den Kredit einer Nation verfügen lenken deren Politik und haben das Schicksal des Volkes in der Hand.» (Reginald McKenna, ehemaliger Vorsitzender der Midlands Bank of England)
Am Anfang der Geschichte steht Geld. Viel Geld. Insgesamt 36 Billionen Dollar. Es sind die Ersparnisse von Versicherungen, öffentlich rechtlichen Körperschaften, Banken, Unternehmen und Privatanlegern aus aller Welt; darunter auch Länder, die plötzlich reich geworden sind, wie Indien, China und Saudi-Arabien. Sie alle sind auf der Suche nach einer lukrativen Kapitalanlage, oder anders ausgedrückt, nach einem solventen Schuldner – denn Geld vermehrt sich bekanntlich nur, indem es teuer verliehen wird.
Zu den interessantesten Schuldnern zählt der US-amerikanische Staat – auch wenn die USA als der größte Schuldner der Welt bekannt sind und der US-Dollar mit Aufhebung der Golddeckung im Jahre 1973 eine ungedeckte Währung ist. US-Staatobligationen, also die Schuldverschreibungen der USA, gehören zu den beliebtesten Anlagen, da sie bei geringem Risiko eine passable Rendite in Höhe des US-Leitzinses versprechen. Zielstrebig steuern die Investoren daher die USA als sichersten Renditehafen der Welt an.
Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt aber senkt Allan Greenspan, Chef der US-Notenbank «Federal Reserve», den US-Leitzins von 6,5 auf 1 Prozent. Er muss dringend den Konsum durch billige Verbraucherkredite ankurbeln – zur Stärkung der krisengeschüttelten Märkte, die seit dem Platzen der New Economy Blase und dem 11. September 2001 nicht mehr richtig in Fahrt kommen wollen.
Während die Investoren auf immer mehr Geld sitzen, erteilt Greenspan ihnen mit der Senkung des Leitzinses eine klare Absage. Knapp 40 Billionen Dollar wissen zu diesem Zeitpunkt nicht wohin. Und täglich wird es mehr Geld, dem immer weniger Anlagemöglichkeiten gegenüber stehen. Denn in Aktien oder Firmenanleihen will keiner so richtig investieren; sie gelten in diesen unsicheren Zeiten als riskant und wenig lukrativ. Gesucht wird eine gewinnbringende und zugleich sichere Kapitalanlage.
Hilfe versprechen die großen Investmentbanken der New Yorker Wallstreet. Seit Jahren schon erzielen Banken wie Goldman Sachs, JP Morgan, Merrill Lynch, Morgan Stanley und Lehman Brothers erfolgreich Gewinne mit dem Verkauf von Anteilen an Immobilienkrediten – im Fachjargon «Mortgaged Backed Securities», kurz MBS oder zu Deutsch: hypothekenbesicherte Wertpapiere.
Und genau diese Banken versprechen den Investoren nun mit den MBS eine topsichere Wertanlage und wittern dabei selbst das große Geschäft. Schließlich stehen hinter diesen Wertpapieren Häuser, Wohnungen und große Bauvorhaben, deren Preise nur eine Richtung kennen: nach oben.
Weltweit steigen Geldhäuser und Finanzinvestoren wie die Deutsche Bank, die Schweizer UBS, die französische Crédit Agricole, die britische Royal Bank of Scotland, die japanische Mizuho-Gruppe mit ein in das Boot – fest im Visier der US-Immobilienmarkt, der sich nun zu einer gefährlichen Spekulationsblase aufbläht. Ein Markt mit Millionen von US-Amerikanern, die dank des niedrigen Leitzinsens bereitwillig immer mehr und vor allem immer höhere Kredite zur Erfüllung ihres «American Dreams» beantragen.
The American Dream und die Hypothekenkredite
«Wir sind vollkommen abhängig von den Banken. Jemand muss jeden Dollar, der im Umlauf ist, bar oder nicht, leihen. Wenn die Banken reichlich künstliches Geld herstellen, herrscht Wohlstand. Wenn nicht, verhungern wir. Wir haben absolut kein nachhaltiges Geldsystem. Sobald man einen Blick auf das gesamte Bild wirft, erscheint die tragische Absurdität unserer hoffnungslosen Lage unglaublich, aber so ist es.» (Robert H. Hemphill, Kreditmanager, Federal Reserve Bank Atlanta)
Der Traum vom Eigenheim ist tief verankert im US-amerikanischen Selbstverständnis. Jeder in Amerika träumt ihn. Und wer ein Haus bauen oder eine Immobilie erwerben möchte, nimmt in der Regel einen Kredit auf. Dank des historisch niedrigen Leitzinses sind die Kosten für «normale» Hypotheken, das sind Kredite, die über eine festverzinste Laufzeit von meist dreißig Jahren angelegt sind, jetzt so preiswert wie selten zuvor.
Werden die Hypotheken im Rahmen einer staatlichen Eigenheimförderung vergeben, gelten sie als «Prime Mortgages», als erstklassige Hypotheken, da sie vom Staat zusätzlich gegenüber dem Gläubiger abgesichert sind: Wird der Kreditnehmer zahlungsunfähig und lässt sich das Haus durch eine Zwangsversteigerung nicht entsprechend der Hypothek verkaufen, springt der Staat ein und entschädigt den Gläubiger.
Dabei werden die meisten der privaten Bauvorhaben in den USA mit wenig oder gar keinem Eigenkapital finanziert. Das klingt riskant, ist aber so gewollt: «Normale» Hypotheken dürfen vom Kreditnehmer jederzeit gekündigt werden, so dass sich ein System der ständigen Umschuldung etabliert hat:
Sobald die Zinssätze sinken, werden teurere Kredite regelmäßig durch preiswertere abgelöst. Dabei verringert sich die monatliche Belastung durch den Kredit, solange der Wert des Hauses steigt. Und die Differenz zwischen den Kreditsummen kann als Guthaben einbehalten werden:
«Home equity extraction» nennt sich das und dient US-Bürgern zur Finanzierung eines Zweitwagens oder weiterer Konsumgüter.
Anstatt das Geld zu sparen, verschulden sich also viele der US-Kreditnehmer mit immer höheren Krediten. In den meisten Fällen geschieht das sogar auf Anraten ihrer Banken; steckt dahinter doch das Ziel, den Konsum über Kredite zu beleben. Denn die US-Wirtschaft hängt zu 70 Prozent von Verbraucherausgaben ab. So verwundert es nicht, dass 2004, als die Eigenheimquote in den USA ihren absoluten Höhepunkt erreicht, die Eigenheimbauer durch das Umschulden ihrer Kredite rund 600 Milliarden Dollar für den Konsum freimachen können.
Die Banken
«So ist unser Geldsystem. Gäbe es keine Schulden in unserem Geldsystem, dann gäbe es gar kein Geld.» (Marriner S. Eccles, Vorsitzender und Chef des Federal Reserve Board)
Für die Geschäftsbanken eröffnete sich mit dem Interesse der Investoren am US-Immobilienmarkt ein lukratives Geschäftsfeld. Sie sahen sich nach Partnern um, die ihnen die neuen Kunden liefern sollten. Die einen fanden sie in Hypothekenmaklern, die anderen in den Investmentbanken der New Yorker Wall Street, die die nötigen Kontakte zu den internationalen Finanzmärkten und damit zu Investoren aus aller Herren Länder hatten.
Geld war jetzt extrem günstig.
Für nur 1 Prozent kauften die Geschäftsbanken bei der FED Geld ein, um es in Form von Niedrigzinskrediten an Unternehmen und private Haushalte weiterzureichen, so dass sich fast jeder Amerikaner einen Kredit leisten konnte.
Doch niedrigzinsbedingte Kreditnachfragen senken regelmäßig Spareinlagen, während gleichzeitig der Bedarf an Finanzierungsmittel für die Kredite steigt. Hinzu kommt, dass Banken mögliche Kreditausfallrisiken durch eine Mindestmenge an Eigenmitteln decken müssen. In den USA liegt dieser Mindestreservesatz derzeit bei 8 Prozent. Das heißt, Kredite in Höhe von z. B. 1 Milliarde Dollar zwingen eine Bank 80 eigene Millionen als Eigenkapital zu halten.
Im Verhältnis üblicher Bankgeschäftsvolumen keine große Summe, aus Sicht der Banken aber zu viel brach liegendes Kapital, das lieber investiert wird.
Daher werden nach dem Motto «rules are for fools» immer wieder Schlupflöcher gesucht, um Vorgaben wie die Mindestreserve zu umgehen.
Dazu gründen Banken Zweckgesellschaften – so genannte «Special Purpose Vehicles», die ihnen ihre Kreditforderungen abkaufen, aus ihnen handelbare Wertpapiere machen und diese an Investmentbanken weiterverkaufen.
Dieser Vorgang nennt sich Kreditrisikotransfer. Die Instrumente dazu liefern Finanzprodukte wie zum Beispiel Kreditderivate und Kreditverbriefungen.
Die Kreditverbriefung
Verbriefung, beziehungsweise Securitization, bedeutet die «Schaffung von handelbaren Wertpapieren aus Forderungen oder Rechten an Eigentum».
Der Verkäufer überträgt Forderungen an einen Käufer. Und der Käufer refinanziert diesen Kauf durch die Herausgabe von Wertpapieren. Voraussetzung ist, dass die zu verbriefende Forderung einen stetigen Zahlungsstrom gewährleistet, um die Refinanzierung des Käufers abzudecken. Kreditforderungen eignen sich daher besonders, da die zu leistenden Zins- und Tilgungszahlungen einen stetigen Kapitalzufluss garantieren.
Es gibt verschiedenste Forderungen, die in den folgenden Gruppen zusammengefasst werden:
- «Asset Backed Securities» (ABS) im engen Sinne beinhalten verbriefte Forderungen von Krediten wie Studentenkrediten, Kreditkartenforderungen, Automobilratenkrediten und Konsumentenforderungen.
- Hinter «Mortgage Backed Securities» (MBS) verbergen sich ausschließlich Forderungen von Immobilienkrediten.
- «Collateralized Debt Obligations» (CDOs) beinhalten eine Mischung aus ABSs und MBSs sowie weiteren Krediten und Anleihen unterschiedlichster Arten. Sie gelten daher als extrem komplex und kaum durchschaubar.
Ziel der Verbriefung ist, die Bank vor platzenden Krediten zu bewahren. Mittels Verbriefung können Banken die Forderungen aus ihren Bilanzen nehmen, den Kredit veräußern und haben im Schadensfalle gar nichts mehr mit dem Kredit zu tun. Das Risiko und den Kredit trägt dann der Investor. Aus dem einstigen Kreditinstitut wird so ein reiner Kreditvermittler.
Im nächsten Schritt verkaufen Zweckgesellschaften die geschaffenen Wertpapiere an Investmentbanken, die diese wiederum an Investoren verkaufen. Dazu werden die erworbenen Wertpapiere neu strukturiert und bewertet. Tausende bis zehntausende Kreditverträge müssen auf ihre risikorelevanten Teile hin, wie zum Beispiel den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners, dem Handlungsaufwand des Kredites, seiner Zinshöhe und Laufzeit unter Lupe genommen werden. Die Verträge werden quasi zerstückelt, bis am Ende verschiedenste Haufen entstehen, die bestimmten Risikostufen entsprechen. Das ganze Konstrukt heißt am Ende «forderungsbesichertes Wertpapier» und wird einer Kreditbewertungsagentur, einer Ratingagentur, zur Überprüfung geben. Diese vergibt Prüfsiegel für jedes einzelne Fach, genannt Tranche. Dabei entstehen Tranchen, die mit einem dreifachen A, gleich «Prime», bewertet sind für besonders sichere Anlagen, deren Renditen daher auch nicht so hoch ausfallen. Die unterste C-Tranche gilt dagegen als besonders riskant, verspricht aber eine höhere Rendite. Auf diese Weise fließen die Raten der Eigenheimbauer an die Investoren der jeweiligen Tranche. Dabei wird nach dem Terrassenprinzip zuerst die sicherste, die A-Tranche, bedient und erst zum Schluss die riskante C-Tranche. So versiegen im Falle von Zahlungsschwierigkeiten seitens der Schuldner zuerst die Zahlungen an die riskante C-Tranche.
Die Idee hatte Vorläufer
«Etwas, das man über unser Geldsystem wissen sollte, ist, dass es, genau wie bei der „Reise nach Jerusalem“, so lange die Musik spielt, keine Verlierer gibt.» (Andrew Gause, Geldhistoriker)
Das Streuen von Kreditrisiken in Form von «forderungsbesicherten Wertpapieren» fand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Anwendung. Damals schon wurden Anteile an einem Pool von Hypothekenkrediten als Wertpapiere verbrieft. Und auch Franklin D. Roosevelt griff im Rahmen seines «New Deal» gegen die damalige Weltwirtschaftskrise diese Idee wieder auf. 1934 startete er mit der «Federal Housing Administration», kurz FHA, ein staatliches Programm zur Eigenheimfinanzierung. Das Programm sicherte Wertpapiere durch Hypotheken ab, die zusätzlich durch staatliche Garantien abgesichert waren und die durch die damals noch staatseigene und später privatisierte Bank Fannie Mae an Investoren verkauft wurden.
Roosevelts Programm war auf beiden Linien ungeheuer erfolgreich: Einerseits stieg die Eigenheimquote in den Jahren seit Einführung des Programms um 20%, so dass 1960 über 60 Prozent aller US-Amerikaner stolze Hausbesitzer waren. Und andererseits wurden die bereits unter dem Namen «Mortgages Backed Securities» gehandelten Wertpapiere zu beliebten Anlagemöglichkeiten. Sie galten als eine zwar nicht sehr rentable, aber risikofreie Investition.
Der Erfolg dieser Wertpapiere rief bereits 1985 private Finanzunternehmen auf den Plan. Sie entdecken die Finanzierungstechnik für andere Arten von Kreditforderungen und förderten die Weiterentwicklung der MBS in ABS, bis schließlich in Form der CDO’s in einem Kessel Buntes alles mit allem vermischt wurde.
Die Derivate: Credit Default Swaps – aus Versicherungen werden Wetten
«Unserer Ansicht nach sind Derivate finanzielle Massenvernichtungswaffen, und sie bergen Gefahren, die im Augenblick zwar verborgen, potentiell jedoch todbringend sind.» (Warren Buffet, zweitreichster Mann hinter Bill Gates, 2003)
1997 entwickelte eine interne Arbeitsgruppe der J.P. Morgan, vor dem Hintergrund platzender Kredite während der Asienkrise, fieberhaft ein Instrument, das in Verbindung mit den CDOs die Welt der Finanzen revolutionieren sollte: Eine Versicherung, die das Risiko von Kreditausfällen von den Banken an die Investoren überträgt: «Credit Default Swap» oder auch einfach nur CDS genannt.
Hat ein Kreditgeber Zweifel an der Zahlungsfähigkeit seines Schuldners, kann er sich durch die Zahlung einer Prämie an den Versicherer gegen das Risiko absichern.
Doch der Markt der CDSs ist vollkommen unreguliert und lädt geradezu dazu ein, aus der ursprünglichen Versicherung eine Wette auf das Ein- oder Nichteintreten des Schadenfalls zu machen: Jeder kann jeden gegen das Risiko versichern, egal ob die Forderung im Besitz der Akteure ist oder nicht, und die Police kann jederzeit an Dritte weiterverkauft werden.
Während man also früher Wertpapiere in den Safe legte und darauf wartete, dass sie im Wert stiegen, bis man sie weiterverkaufte, konnte man nun mittels Derivate, zu denen CDSs zählen, im Zeitraffer spekulieren. So verwundert es auch nicht, dass sich der Gesamtbestand der CDSs im Kapitalmarkt auf 60 Billionen Dollar beläuft, denen lediglich Kredite von 5 Billionen zugrunde liegen. Anders ausgedrückt: 5 Billionen Dollar wurden mit 60 Billionen Dollar versichert.
Unter der massiven Vermarktung durch Blythe Masters von J. P. Morgan, wurden CDS als die Lösung gegen das älteste Risiko im Bankengeschäft gefeiert: Mittels CDS können Verluste durch geplatzte Kredite einfach abgeschrieben werden. Die vermeintliche Sicherheit verleitete Investmentbanken dazu, immer undurchsichtigere CDOs zu schnüren und immer weitere CDOs ineinander zu packen und abzusichern, bis niemand mehr wusste, wer wen gegen welches Risiko versichert hat.
Die variablen Zinssätze
Um jedoch die nur schwer zu kalkulierenden Zinsverluste durch das vorzeitige Kündigen der Hypotheken besser kontrollieren zu können, wurden auf dem Höhepunkt des US-Immobilienbooms verstärkt Hypothekenkredite mit variablem Zinssatz angeboten. So genannte «Adjustable Rate Mortgages» – ARM. In regelrechten Lockaktionen wurden tausende von möglichen Kreditnehmern angesprochen und von den Vorteilen variabler Zinssätze überzeugt.
Der Köder: niedrigere Zinsen als bei den festverzinslichen Hypotheken. Der Haken: Der niedrige Zinssatz gilt nur während der ersten zwei Jahre der Kreditlaufzeit. Danach erhöht sich der Zinssatz der Hypothek zusätzlich um den Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen, dem so genannten Liborsatz. Das heißt, eine Hypothek, die zum Beispiel für zwei Jahre über 7 Prozent läuft, kostet im dritten Jahr 7 Prozent plus 4 Prozent Libor, also 11 Prozent.
Ein riskantes Vorgehen. Denn 2003, als diese Angebote verstärkt auf den Markt geworfen wurden, liegen sowohl der Libor als auch der US-Leitzins bei steigenden Hauspreisen extrem niedrig. Und keiner wollte sich vorstellen, dass das jemals anders sein könnte. Doch ab 2004 stieg der Leitzins wieder und mit ihm der Liborsatz. Und bereits 2006, als die Niedriglaufzeiten der ersten ARMs ablaufen, geraten sogar Kreditnehmer mit besserer Bonität in Zahlungsschwierigkeiten.
Doch vorerst hatten sich die Investmentbanker nicht verkalkuliert. Das Geschäft mit den Hypotheken sollte das beste der Wall Street seit der «New Economy Blase» werden. Als aber das Geschäft so richtig in Fahrt kam, drohte der Markt der Prime-Hypotheken zu versiegen.
Unter den solventen Verbrauchern gab es kaum mehr einen, der noch keine Hypothek hatte. Doch der Markt, also die Investoren, verlangte Nachschub.
Die Subprime-Hypotheken
O-Ton George W.Bush
«So now it is my honor, right here at this important department, the department responible for encouraging homeownership in america, to sign the „american dream downpayment act“»
2003 unterzeichnete Präsident George W. Bush den «American Downpayment Act», der auch Hauskäufern aus unteren Einkommensschichten Unterstützung versprach. Infolge wurden die Vergaberichtlinien für Hypotheken immer laxer gehandhabt.
Menschen, die niemals imstande sein würden, ihre Kredite langfristig zu bedienen, weil sie kein Einkommen, keine Jobs und keine Sicherheiten haben, bekamen nun Kredite in Millionenhöhe, teilweise sogar für Schrottimmobilien.
Es war die Geburtsstunde der so genannten Ninjas-Darlehen, die Abkürzung für no income, no jobs, no assets.
Gleichzeitig wurde der gesamte staatliche Eigenheimförderapparat dazu gedrängt, den Subprime-Markt zu unterstützen, und Kreditgeber wurden dazu aufgefordert, von Subprime-Kunden keine vollständige Dokumentation zu verlangen. Trotz dieser Risiken entwickelte sich der Subprime-Markt explosionsartig.
Mitte 2006 passierte, was eigentlich zu erwarten war: Die ersten Kreditnehmer können ihre Raten nicht mehr zahlen und immer mehr Häuser werden zwangsversteigert. In Folge sinken erstmals die Preise des bis dahin boomenden Immobilienmarktes und das ganze Konstrukt bricht in sich zusammen.
Parallel bewirken die Zahlungsausfälle, dass die ersten C-Tranchen der forderungsbesicherten Wertpapiere keine Rückflüsse mehr erhalten. Schließlich versiegt der Geldfluss so weit, dass Investoren in ihren Portfolios nur noch wertlose Hülsen vorfinden. Es ist der Moment, in dem Investmentbanken wie Lehmann Brothers ihre Pakete nicht mehr los werden. Doch sie schulden den Zweckgesellschaften noch den Kaufpreis der Wertpapiere, der über den Weiterkauf an Investoren generiert werden sollte. Jetzt schlägt er als Schulden zu Buche und führt die größten Banken der USA in den Ruin.
«Wer auch immer die Geldmenge in unserem Land kontrolliert, ist der uneingeschränkte Herrscher über den gesamten Handel und die Industrie. Und sobald man begreift, dass das ganze System sehr einfach gesteuert werden kann, so oder so, durch einige wenige an seiner Spitze, dann braucht einem nicht mehr erklärt werden, woher Zyklen der Inflation und Rezession kommen.»
Was 2006 als Immobilienkrise begann und 2008 als Banken- und Finanzkrise weltweit für Schlagzeilen sorgte, entwickelt sich zunehmend zu einer Weltwirtschaftskrise. Trotz milliardenschwerer Rettungspakete kommt der Geldmarkt seit der Lehmann-Pleite nicht mehr richtig in die Gänge. Bis heute haben viele Unternehmen Probleme, Gelder geliehen zu bekommen. Vor allem bei längerfristigen Krediten wird mit Argusaugen geprüft und doch meist abgelehnt, denn die Banken horten das Geld in Anbetracht unsicherer Zeiten lieber: 50 Billionen Dollar soll die Krise bis zum Jahresbeginn 2009 gekosten haben, mit massiven Einbrüchen der Realwirtschaft wird gerechnet, mit bis zu rund fünfzig Millionen Arbeitslosen weltweit, und Vergleiche zur großen Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahren werden gezogen.
Dabei ist es noch gar nicht solange her, dass die Welt eine strukturell ähnliche Krise erlebte.
Die unter dem Namen «Saving & Loans» in die Geschichte eingegangene Krise kostete den Staat, also die US-Steuerzahler, in den Jahren 1986 bis 1995 bereits 124 Milliarden Dollar. Ungefähr neun Jahre dauerte es, bis die Krise überwunden war. Nur zwölf Jahre später erleben wir das Gleiche, nur viel, viel größer.
«Die Ratlosigkeit, Verwirrung und Verzweiflung in Amerika entstand nicht so sehr durch Fehler in der Verfassung oder des Staatenbundes, nicht durch Mangel an Ehre oder Tugend, als vielmehr durch die ausgesprochene Ignoranz gegenüber dem Wesen von Geld, Kredit und Geldkreislauf.»