Familienpropaganda statt republikanischer Fiktion: die Frühprägungen des Caius Caligula, 37-41 n. Chr.
Agrippa trägt keinen Lorbeerkranz, wie es für die römischen Kaiser üblich war. Sein Kranz deutet aber auf einen grossen Seekrieg hin. Auf der anderen Seite der Münze ist zudem Neptun, Gott des Meeres, abgebildet. Agrippa war ein enger Freund von Octavian, später Augustus, und war über alle Banden mit ihm verbunden.
Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Rom. Wir befinden uns in der Zeit zwischen 37 und 41 nach Christus.
Nein, es ist kein römischer Kaiser, der auf dieser Münze abgebildet ist. Sehen Sie sich seinen Kranz genau an. Es ist kein Lorbeerkranz wie gewöhnlich. Das gute Stück hat eine ganz besondere Form.
Es endet in einer Prora. Mit Prora bezeichneten die Römer den Vorderteil eines Schiffes. Deutlich erkennt man selbst auf dieser kleinen Darstellung den Rammsporn und den hochgezogenen Bug.
Der Mann auf der Vorderseite muss also einen großen Seesieg errungen haben.
Das verrät uns auch die Rückseite. Dort ist Neptun dargestellt, der Gott des Meeres. Er hält in der linken Hand einen langen Dreizack. Auf der ausgestreckten Rechten liegt ein Delphin.
Den Dreizack benutzte ein griechischer Fischer, um damit Seebarsch, Dorade, Meeräsche und Oktopus zu fangen. Als Attribut des Neptun wurde der Dreizack zur göttlichen Waffe, die eine spiegelblanke Wasseroberfläche zum sturmgepeitschten Meer aufwühlen konnte.
Der Delphin war das Gegenteil. Er galt als göttlicher Gesandter, der einem Schiff sicheres Geleit garantierte.
Zusammen standen Dreizack und Delphin für die Macht des Neptun über Leben und Tod. Er gewährte dem Seefahrer sichere Überfahrt oder schickte ihm den vernichtenden Sturm.
Wer so prominent im Münzbild mit Neptun verbunden wurde, dem musste die Gnade des Gottes zuteil geworden sein. Und tatsächlich, der Mann auf unserer Münze hatte bedeutende Seesiege errungen. Die Inschrift verrät uns seinen Namen:
M(arcus) AGRIPPA L(ucii) F(ilius) CO(n)S(ul) III (tertium) steht da zu lesen:
Marcus Agrippa Sohn des Lucius, dreifacher Consul.
Dieser Marcus Vipsanius Agrippa war eigentlich nichts anderes gewesen als der gute Freund eines jungen Mannes. Der hieß Octavian und geriet durch den Mord an seinem Adoptivvater Caesar in den brutalsten Bürgerkrieg, den die römische Welt bisher gesehen hatte.
Während Octavian dem Militär nichts abgewinnen konnte, war Agrippa der geborene Feldherr. Er kämpfte viele Schlachten für seinen Freund und besiegte die Flotte des Sextus Pompeius. Dafür erhielt er die Corona Navalis, mit der er auf unserer Münze abgebildet ist.
Seinen größten Sieg errang Agrippa aber in der Seeschlacht von Actium.
Nach dem Sieg nahm Octavian den Namen Augustus an und wurde zum Princeps von Rom, zu dem Mann, mit dessen Autorität und Machtbefugnissen kein anderer Römer konkurrieren konnte. Seine Herrschaft ist ohne die Unterstützung des Agrippa nicht vorstellbar. Die beiden Männer arbeiteten kongenial zusammen, sogar in familiären Angelegenheiten. Als es Augustus nicht gelang, einen Erben zu produzieren, übertrug er die Aufgabe auf seinen Freund.
Er veranlasste Agrippa, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, und verheiratete ihn mit seiner einzigen Tochter Iulia. Iulia war 18, Agrippa 43 Jahre alt. Glücklich wurde die Ehe nicht, aber sie brachte hervor, was Augustus sich erhofft hatte: fünf Kinder. Die beiden ältesten Söhne wurden sofort zu Nachfolgern des Augustus designiert. Agrippa sollte ihnen das Erbe sichern, würde der kränkliche Freund vor ihm sterben.
Tatsächlich überlebte Augustus sie alle. Agrippa starb als erster im Jahre 12 v. Chr. Ihm folgten sein Sohn Lucius im Jahre 2 n. Chr. und sein Sohn Caius im Jahre 4 n. Chr.
Damit wurde der ungeliebte Stiefsohn des Augustus, Tiberius, zum Herrscher Roms, und nach ihm Caligula.
Der hat bis heute ein Imageproblem. Die römischen Senatoren hielten ihn für einen übergeschnappten Spinner, weil er seine Herrschaft wie ein orientalischer König zelebrierte. Aber was in Rom skandalös schien, war im Osten normal. Dort feierten die Könige ihre Abstammung, um ihr Recht auf die Krone zu untermauern.
Caligula war vierzig Jahre nach der offiziellen Machtübernahme des Augustus geboren worden. Er hielt die republikanische Fiktion, die sein Urgroßonkel so mühsam aufrecht erhalten hatte, für überflüssigen Unsinn. Er glaubte, seine Macht seiner Abstammung zu verdanken und verkündete das mit seinen Münzen. Caligula benutzte als erster die Porträts seiner Vorfahren für die eigene Münzpropaganda.
Er prägte…
- ...für seinen Urgroßonkel Augustus.
- ...für seine Mutter Agrippina.
- ...für seinen Vater Germanicus.
- ...für seine Brüder Nero und Drusus.
- ...für seine Schwestern Agrippina, Drusilla und Iulia.
Und natürlich: für seinen Großvater mütterlicherseits, für Agrippa.
Doch Caligula hatte die Tatsache unterschätzt, dass die römische Geschichtsschreibung fest in der Hand der Senatoren waren. Sie haben der Nachwelt ihr Bild in reißerischen Schriften überliefert. Caligulas politische Ansichten müssen wir dagegen mühsam über seine Münzprägung rekonstruieren.
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