Geld im Neuen Testament
Ob man dem Geld huldigt wie dem Goldenen Kalb oder es als schnöden Mammon betrachtet – davon unberührt bleibt niemand. So wundert es wenig, das Fragen rund ums Geld auch jene beschäftigen, die um das menschliche Seelenheil besorgt sind: die Religionen.
Diese DVD befasst sich mit der christlichen und geht der Frage nach, was das Neue Testament über Geld und den richtigen Umgang damit zu sagen hat. Und siehe da: Es finden sich in seinen Schriften mehr Antworten, als man denken könnte. Dabei erfahren Sie nicht zuletzt in Bild und Text, welche Münzen zu Jesu Zeiten in Judäa in Umlauf waren ...
Nach unserer Zeitrechnung dürfte sie am 7. April des Jahres 30 stattgefunden haben, die Hinrichtung von drei vermeintlichen Verbrechern in Jerusalem, auf dem Berg Golgatha. Unter ihnen befand sich der, der sich selbst als den Menschensohn bezeichnet hatte. Der Tod des Jesus von Nazareth sollte für ungezählte Menschen zu einem neuen Anfang werden.
Die Christen, wie sich seine Nachfolger nannten, trugen die frohe Botschaft hinaus in die Welt. Ihr Evangelium sprach davon, daß es nutzlos sei, Gut und Geld und Sicherheit nachzulaufen. Wer wollte noch Schätze anhäufen, wenn der Jüngste Tag unmittelbar bevorstand? Schließlich hatte Jesus selbst ja davon gesprochen, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen könne als ein reicher Mann ins Himmelreich.
Jesus setzte sich in seinen Predigten häufig und durchaus differenziert mit den pekuniären Verhältnissen und dem Wirtschaftssystem seiner Zeit auseinander. Unzählige Male benutzte er Bilder, die von Geld, Gewinn und Bezahlung sprachen. Das Geld spielt überhaupt im Neuen Testament eine wichtige Rolle. Alles beginnt und endet mit ihm. Die Geburt Jesu wird nach einer Steuerveranlagung datiert, der Verrat des Judas mit 30 Silberlingen bezahlt. Dies macht uns neugierig. Was war das für eine Gesellschaft, in der Juden lebten und Römer die Steuer einzogen? Wie sahen die Münzen aus, mit denen Judas vom Hohen Rat entlohnt wurde? Im folgenden wollen wir versuchen, diese Fragen zu beantworten.
Es begab sich aber zu der Zeit
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum erstenmal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
Diese erste Steuerveranlagung oder der Census, wie die Römer sagten, ist aufs Jahr genau datiert. Sie fand im Jahre 6 nach unserer Zeitrechnung statt, und es könnte tatsächlich ein Statthalter Syriens namens Publius Sulpicius Quirinius dafür verantwortlich gewesen sein. Die Steuerschätzung war nötig geworden, da in eben diesem Jahr ein großer Teil des jüdischen Gebietes von den Römern als Provinz Judäa in ihr Reich aufgenommen wurde. Die Römer übernahmen von einem Sohn des Herodes, der sich in ihren Augen als unfähig erwiesen hatte, einen großen Teil des Landes, der von der Küste bis zum See Genezareth reichte und in dem die Stadt Jerusalem lag.
Doch die Tatsache, daß es bereits der Nachfolger des Herodes war, der vor der ersten Steuerschätzung das Feld räumen mußte, bringt einen gewissenhaften Leser des neuen Testaments, der gerne ausrechnen möchte, wann Jesus geboren wurde, in arge Bedrängnis. Denn bei Matthäus findet er folgenden zeitlichen Hinweis:
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Matthäus 2, 1-2.
Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
Nun starb aber der historische König Herodes bereits im Jahre 4 vor unserer Zeitrechnung, also rund zehn Jahre vor der ersten Steuerschätzung in Judäa.
Entweder Lukas oder Matthäus, einer von beiden muß sich geirrt haben, möchte man denken. Aber es gibt mehr Wahrheiten als die historische.
Die Schreiber der Evangelien standen nämlich vor der Herausforderung, alles, was von den Propheten des Alten Testaments über den Messias geweissagt worden war, durch konkrete Hinweise auf die Lebensumstände Jesu zu beantworten. Und es stand fest, daß der Messias in Bethlehem geboren werden müsse.
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Matthäus 2, 5-6.
Herodes ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden sollte. Sie antworteten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten: Du, Bethlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel.
Gleichzeitig las man aber im Buch der Richter, daß der Messias der Nazoräer, der Nazarener genannt werden sollte, also der Mann aus Nazareth. Diesen Widerspruch löste Matthäus auf, indem er Josef und Maria mit Jesus vor dem bethlehemitischen Kindermord – der übrigens übrigens historisch nicht exakt nachgewiesen ist – fliehen und sie auf Gottes Geheiß ihre neue Heimat in Nazareth nehmen ließ.
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Matthäus 2, 22-23.
Als er, Josef, aber hörte, daß in Judäa Archelaos an Stelle seines Vaters Herodes regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und weil er im Traum einen Befehl erhalten hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.
Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört
Unter Augustus wurden zum ersten Mal in der Geschichte des Römischen Reiches alle Bewohner des Imperiums zusammen mit ihrem Besitz erfaßt und in Steuerlisten eingetragen.
Dazu wurden gewaltige Kataster angelegt, mit deren Hilfe jedes Grundstück genau lokalisiert und eindeutig beschrieben werden konnte. Dieser Census fand nicht überall im gleichen Jahr statt. Nach und nach wurde jede Provinz erfaßt und Judäa war eben gleich nach seiner Annexion im Jahre 6 an der Reihe.
Um seinen Besitz bei der Steuerbehörde anzumelden, musste jeder Mann sich damals in die Stadt verfügen, in der er ursprünglich das Bürgerrecht besaß oder aus der seine Sippe stammte. So wird es damals eine gewaltige Völkerwanderung gegeben haben, denn viele Juden wohnten nicht mehr am Stammsitz ihrer Väter. Deshalb blieb die Steuerschätzung den Menschen als das Jahr in Erinnerung, in dem sich ein großer Teil der Juden auf Reisen befand, um den römischen Befehl zu befolgen.
Mit diesem Census wurde die verhaßte Herrschaft der Römer für alle sichtbar und spürbar. Kein bißchen Besitz konnte mehr vor den römischen Herren verheimlicht werden. Fortan mußte für jedes Stück Boden, jeden Weinstock und jeden Olivenbaum abgerechnet werden. Selbst der, der gar nichts besaß, mußte für seine eigene Arbeitskraft die Kopfsteuer entrichten,
die pro erwerbsfähigen Mann einen Denar betrug. Frauen, Kinder und Greise erhielten zwar eine Steuerermäßigung, aber auch sie wurden erfaßt und zahlungspflichtig.
Die Römer hatten also ganz Judäa steuerlich unter Kontrolle. Und die Menschen haßten die römische Steuer genauso wie ihre Abhängigkeit von der römischen Gnade.
Frei wollten sie sein und Freiheit predigte Jesus, allerdings verstanden nicht alle seine Zuhörer, welche Freiheit er meinte. Viele seiner Anhänger hofften, in ihm den Mann gefunden zu haben, der die Juden vom Joch der Römer befreien würde. Und diese Hoffnung der Menschen machten sich die Pharisäer zunutze, als sie Jesus eine Fangfrage stellten.
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Matthäus 22, 15-22
Damals kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. Sie veranlaßten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, daß du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person. Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen oder nicht? Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin.
Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg.
Wir wissen ziemlich sicher, was für eine Münze die Pharisäer Christus zeigten. Es handelte sich um einen Denar des römischen Kaisers Tiberius, wie er damals zu Millionen geprägt wurde. Stücke wie dieses liefen in allen Provinzen um. Die Kopfsteuer, die jeder Mann entrichten mußte, betrug genau so einen Denar.
Auf der Vorderseite sehen wir den Kopf des Kaisers nach rechts gewandt, im Haar einen Lorbeerkranz, der auf die Siege hinweist, die dieser Tiberius für das römische Volk errungen hatte.
Die Umschrift lautet: «Tiberius Caesar Divi Augusti Filius Augustus», übersetzt: «Tiberius Caesar Augustus, Sohn des vergöttlichten Augustus».
Auf der Rückseite thront eine weibliche Gestalt nach rechts. Wir wissen nicht genau, wen diese Frau darstellen soll. Sicher ist mit ihr keine historische Persönlichkeit gemeint. Es handelt sich wohl eher um eine göttliche Kraft, die bestimmte Tugenden des Herrschers symbolisieren soll – vielleicht die Gerechtigkeit oder die Frömmigkeit. Die Aufschrift der Rückseite lautet: «Pontifex Maximus», also «oberster Priester».
Eigentlich war diese Münze an sich schon eine Beleidigung für jüdische Augen. Sie widersprach eindeutig dem jüdischen Bilderverbot. Und dazu noch die Anmaßung des Kaisers auf der Rückseite! Pontifex Maximus, oberster Priester!
Seit Augustus besaßen alle Kaiser diesen Titel und beanspruchten damit, oberster Richter in religiösen Fragen zu sein, und zwar nicht nur in Rom, sondern im ganzen Imperium. Ein unglaublicher Affront für einen gläubigen Juden. Und als solcher erweist sich Jesus. Er führt in dieser Auseinandersetzung die Pharisäer vor, die doch eigentlich ihn in eine Zwickmühle hatten bringen wollen.
Sprecher mit Zitatstimme: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen oder nicht?
Diese Frage ist gefährlich. Sagt Jesus Nein, legt er sich mit den Römern an. Sagt er Ja, dann läuft ihm ein großer Teil seiner eigenen Anhänger davon, die sich ja gerade die Freiheit erhoffen von der römischen Unterdrückung. Jesus antwortet also mit einer Gegenfrage.
Sprecher mit Zitatstimme: Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Wessen Bild und Aufschrift ist das?
Damit weist Jesus seine Herausforderer in die Schranken. Er selbst ist, so die versteckte Aussage, ein frommer Jude, der keine frevelhafte, dem Bilderverbot widersprechende Münze besitzt. Aber die anderen, die ihn fragen, sie haben bereits gegen das Bilderverbot verstoßen, indem sie so eine Münze ihr Eigen nennen. Jesus gibt vor, nicht einmal zu wissen, was auf dem fraglichen Stück dargestellt ist. Und als ihm die Pharisäer sagen, daß es sich um das Bild des Kaisers handelt, tut Jesus die Münze ab: Wie kann ein frommer Jude etwas in Händen halten wollen, was nicht dem Gesetz Gottes entspricht?
Sprecher mit Zitatstimme: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört.
Ein Denar für einen Tag im Weinberg
Was war nun in jenen Zeiten ein Denar wert? Jesus von Nazareth und diejenigen, die über sein Wirken schrieben, wußten das ganz genau. Immer wieder finden wir im Neuen Testament exakte Preisangaben.
Sprecherin: Aus dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, niedergeschrieben im Evangelium nach Matthäus 20, 2
Sprecher mit Zitatstimme: Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg.
Sprecherin: Aus dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter, niedergeschrieben im Evangelium nach Lukas 10, 35
Sprecher mit Zitatstimme: Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Sprecherin: Aus dem Bericht über die Salbung in Bethanien, niedergeschrieben im Evangelium nach Markus 14, 3
Sprecher mit Zitatstimme: Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können.
Ein Denar als Gegenwert für das mühsame Tagewerk eines Arbeiters, 2 Denare als Vorschuß für Unterkunft, Nahrung und Pflege, die ein Wirt einem Verletzten angedeihen lassen soll, 300 Denare dagegen für einen winzigen Flakon des besten Öls, wie ihn die Reichen für die tägliche Körperpflege benutzten.
Jesus von Nazareth lebte in einer Welt der Gegensätze zwischen dem armen Tagelöhner, der sich und seine Familie mit einem einzigen Denar pro Tag durchfüttern mußte, und der reichen Witwe, die es sich leisten konnte, einen kostbaren Ölflakon zu zerbrechen, um dem von ihr verehrten Meister die Füße zu salben.
Das Opfer der Witwe
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Markus 12, 41-44
Sprecher mit Zitatstimme: Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenüber saß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei Lepta hinein, die entsprechen einem Quadrans. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hinein geworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluß hingegeben; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.
2 Lepta warf die arme Witwe in den Opferkasten, das entsprach dem Gegenwert der Nahrung für einen halben Tag, z.B. einem halben Laib Brot. Marcus, der für ein römisches Publikum schrieb, mußte das umrechnen, um verstanden zu werden.
In römischer Währung entsprachen die zwei kleinen Bronzemünzen einem Quadrans. Der Quadrans war das kleinste Nominal, das es im römischen Münzsystem gab.
64 Quadrantes entsprachen einem römischen Denar.
Wir wissen mit ziemlicher Sicherheit, wie die beiden Münzen aussahen, die unsere arme Witwe in den Opferkasten warf. Es handelte sich um kleine, unscheinbare Kupferstücke, die schon seit Generationen in Judäa umliefen. Geprägt hatte sie ein jüdischer König namens Alexander Jannäus, der in den Jahren zwischen 103 und 76 vor unserer Zeitrechnung regierte.
Auf der Vorderseite ist ein Anker zu sehen, darum die griechische Aufschrift «Basileos Alexandru», übersetzt: «[des] Königs Alexander», also "die Münze des Königs Alexander.
Die Rückseite ziert ein Stern. Er ist umgeben von einer aramäischen Aufschrift, die fast dasselbe sagt wie die Inschrift der Vorderseite, nämlich «König Alexander». Zusätzlich ist das Regierungsjahr angegeben, in dem das Stück geprägt wurde.
Hier sehen wir zum Vergleich eine Prutah des gleichen Herrschers, das jüdische Äquivalent des römischen Quadrans. Solche Stücke wurden übrigens nicht nur von jüdischen Herrschern herausgegeben, auch die römischen Prokuratoren ließen diese häufigen Kleinmünzen prägen. Manchen Prokuratoren gelang es dabei, sich dem jüdischen Gedankengut anzupassen.
Andere – wie der berühmte Pontius Pilatus – provozierten die frommen Juden mit ihren Motiven – ungewollt oder sogar wissentlich.
Und Pilatus wusch seine Hände in Unschuld
Der erste, der Münzen für die Provinz Judäa prägen ließ, war der Präfekt Coponius. Er gab im Jahr 6 nach unserer Zeitrechnung – also in dem Jahr, in dem Judäa zur römischen Provinz wurde – seine Münzserie heraus und wählte die Motive dafür sehr sorgfältig.
Auf der Vorderseite sehen wir die unverbindliche Ähre, die schon vorher auf jüdischen Münzen zu sehen gewesen war. Die Rückseite zeigt eine Dattelpalme, ebenfalls ein für die Juden vertrautes Motiv.
Die Nachfolger des Coponius taten es ihm gleich und wählten ihre Münzbilder so, daß sie auch bei frommen Juden keinen Anstoß erregten. Dies taten alle; alle bis auf einen: Pontius Pilatus.
Dieser Mann soll ein Günstling des Seianus gewesen sein, dem damals mächtigsten Mann in Rom. Beiden haben antike Quellen einen übertriebenen Haß gegen die Juden unterstellt. Die Abneigung des Pontius Pilatus gegen alles Jüdische äußerte sich vor allem in seinen Handlungen während seiner Amtszeit als Präfekt von Judäa in den Jahren zwischen 26 und 36 nach unserer Zeitrechnung. Mehr als einmal kam es zu einem Skandal, der aus einer Verletzung der jüdischen Ritualgebote entstand.
Sprecherin: Aus Flavius Josephus, Jüdische Altertümer 18, 3, 1
Sprecher mit Zitatstimme: Als Pilatus sein Heer in die Winterquartiere geführt hatte, ließ er, um seine Mißachtung gegen die jüdischen Gesetze an den Tag zu legen, das Bild Caesars auf den Feldzeichen in die Stadt (Jerusalem) tragen, obwohl doch unser Gesetz alle Bilder verbietet. Aus diesem Grunde hatten die früheren Landpfleger stets die Feldzeichen ohne dergleichen Verzierungen beim Einzug der Truppen in die Stadt vorantragen lassen.
Pilatus war der erste, der ohne Vorwissen des Volkes zur Nachtzeit jene Bildnisse nach Jerusalem bringen und dort aufstellen ließ. Sobald das Volk dies erfuhr, zog es nach Caesarea und bestürmte den Pilatus, er möge die Bilder doch irgendwo anders hinbringen lassen. Das gab aber Pilatus nicht zu. Als indes das Volk nicht aufhörte, ihn zu drängen, bewaffnete er am siebenten Tage in aller Stille seine Soldaten.
Da nun die Juden ihn abermals bestürmten, gab er den Soldaten ein Zeichen, dieselben zu umzingeln, und drohte ihnen mit augenblicklicher Niedermetzelung, wenn sie sich nicht ruhig nach Hause begäben. Die Juden aber warfen sich zu Boden, entblößten ihren Hals und erklärten, sie wollten lieber sterben, als etwas geschehen zu lassen, was der weisen Vorschrift ihrer Gesetze zuwiderlaufe. Einer solchen Standhaftigkeit konnte Pilatus seine Bewunderung nicht versagen und befahl, die Bilder sogleich aus Jerusalem wegzubringen.
Nicht ganz so skandalös wie diese provozierende Mißachtung des Bilderverbots, aber immerhin noch verletzend waren die Münzen, die Pontius Pilatus herausgeben ließ. Die eine Emission zeigt auf der Rückseite das Prägejahr in einem Kranz. Wir erfahren, daß diese Stücke im 17. bzw. 18. Jahr nach dem Regierungsantritt des Tiberius hergestellt wurden, unserer Zeitrechnung nach also im Jahr 30 bzw. 31.
Auf der Vorderseite ist ein Lituus abgebildet, ein Krummstab, wie ihn die römischen Auguren in der Hand hielten, wenn sie den Himmel absuchten, um dort ein Zeichen der Götter wahrzunehmen.
Auch die Abbildung auf dieser Münze aus dem Jahr 29 ist der römischen Religion entnommen.
So eine Schöpfkelle nannten die Römer Simpulum. Dieses Gerät spielte im Opferritual eine Rolle.
Die Vorderseite dieser Münze zeigt drei Ähren, zumindest das war eine relativ unverbindliche Darstellung, die auch einem Juden gefallen konnte.
Ob Pontius Pilatus diese Motive für seine Münzen wählte, weil er die Juden absichtlich beleidigen wollte oder ob er zu sehr von der römischen Lebensart überzeugt war, um sich für die religiösen Vorstellungen seiner Untertanen zu interessieren – wir wissen es nicht. Auf jeden Fall übte er sein Amt so aus, daß er immer wieder Aufstände provozierte. Zur endgültigen Abberufung des Pilatus führte ein scheinbar grundloses Massaker an Samaritern, die sich zu einem Opferfest versammelt hatten.
Dies ging nun auch der römischen Zentralregierung zu weit. Der glücklose Verwaltungsbeamte wurde abgesetzt und nach Rom zurückbeordert. Er erhielt nie wieder ein Amt, vielleicht hat er gar, wenn wir Eusebius und seiner Kirchengeschichte glauben wollen, Selbstmord begangen.
Und sie zahlten ihm 30 Silberlinge
Sie betrug genau das Doppelte von dem, was ein Bewohner des römischen Reiches an den Fiskus abzugeben hatte: 2 Denare oder einen halben Schekel.
Sprecherin: Aus dem Buch Exodus 30, 11-16
Sprecher mit Zitatstimme: Der Herr sprach zu Mose: Wenn du die Zählung der Israeliten für ihre Veranlagung durchführst, soll jeder von ihnen ein Lösegeld für seine Person anläßlich der Veranlagung an den Herrn zahlen, damit sie kein Unheil wegen der Veranlagung trifft. Jeder von ihnen, der zur Veranlagung kommt, soll einen halben Schekel, entsprechend dem Schekelgewicht des Heiligtums, entrichten: zwanzig Gera auf einen Schekel; einen halben Schekel soll die Abgabe für den Herrn betragen.
Jeder von zwanzig Jahren und darüber, der zur Veranlagung kommt, soll eine Abgabe für den Herrn entrichten. Der Reiche soll nicht mehr, der Arme nicht weniger als einen halben Schekel geben, wenn ihr die Abgabe für den Herrn als Lösegeld für eure Person entrichtet. Nimm das Silber des Lösegeldes von den Israeliten, und verwende es für den Dienst im Offenbarungszelt; es diene den Israeliten zur Erinnerung vor dem Herrn, als Lösegeld für eure Person.
Wie der Herr selbst durch den Mund Mose angeordnet zu haben schien, legten die Priester exakt fest, wie viel ein Schekel wiegen und welchen Grad von Reinheit das dafür verwendete Silber haben sollte. Es war von großer ritueller Bedeutung, daß weder Gewicht noch Reinheit des Silbers sich änderten.
Deshalb wählten die Priester im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung den tyrischen Schekel als die Währung, in der die Tempelsteuer gezahlt werden mußte. Die Münzen, die Tyros, eine Handelsstadt in Phönikien, herausgab, galten als die stabilste Währung der damals bekannten Welt.
Das Bilderverbot schien die jüdischen Autoritäten dabei nicht zu interessieren.
Und das, obwohl auf der Vorderseite der Stücke eindeutig ein heidnischer Gott abgebildet ist. Es handelt sich um den tyrischen Hauptgott Melquart. Dieser Melquart war ursprünglich ein phönizischer Sonnengott gewesen, der im Laufe der Zeit immer mehr mit dem griechischen Zeus und seinem Sohn Herakles identifiziert wurde.
Dargestellt ist er mit einem Lorbeerkranz und einem Löwenfell, dessen Pranken um den Hals geknotet sind. Leider ist dieses Löwenfell auf den tyrischen Münzen meistens nicht zu sehen, weil die Stempel, mit denen diese Münzen geprägt wurden, größer waren als der silberne Schrötling, auf den geprägt wurde.
Auf der Rückseite sehen wir einen Adler, den die Griechen mit Zeus in Verbindung brachten. Davor entdeckt man eine Keule, Attribut des Herakles und fast so etwas wie das Wappen von Tyros.
Es ist überraschend, daß ausgerechnet diese Münzen, die im jüdischen Verständnis einen «Baal» zeigten, benutzt wurden, um eine religiöse Pflicht zu erfüllen. Aber anscheinend erregte der Widerspruch keinerlei Aufsehen. Die Tempelsteuer war das Zeichen der Zugehörigkeit eines Juden zum Tempel von Jerusalem und wurde von vielen jüdischen Gemeinden in der Diaspora freiwillig entrichtet.
Selbst Jesus, so berichtet uns der Evangelist Matthäus, hielt die Tempelsteuer zwar nicht für unumgänglich, aber immerhin machte er sich die Mühe, ein Wunder zu wirken, um für sich und Petrus diese Steuer zu zahlen.
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Matthäus 17, 24-27
Als Jesus und die Jünger nach Kafarnaum kamen, gingen die Männer, die die Tempelsteuer einzogen, zu Petrus und fragten: Zahlt euer Meister die Doppeldrachme nicht? Er antwortete: Doch! Als er dann ins Haus hineinging, kam ihm Jesus mit der Frage zuvor: Was meinst du, Simon, von wem erheben die Könige dieser Welt Zölle und Steuern? Von ihren eigenen Söhnen oder von den anderen Leuten? Als Petrus antwortete: Von den anderen!, sagte Jesus zu ihm: Also sind die Söhne frei. Jesus bezeichnete sich selbst ja aber als "Sohn Gottes", und als ein solcher Sohn hätte eigentlich von dieser Tempelsteuer frei sein müssen. Aber er fährt fort.
Damit wir aber bei niemandem Anstoß erregen, geh an den See und wirf die Angel aus; den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul, und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib den Männern als Steuer für mich und für dich.
Ein ungewohnter Jesus tritt uns hier entgegen. Wann hätte der Mann aus Nazareth je Wert darauf gelegt, keinen Anstoß zu erregen? Und tatsächlich sah die Lage ganz anders aus, als Jesus im Tempel von Jerusalem mit den praktischen Auswirkungen der Tempelsteuer konfrontiert wurde.
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Johannes 2, 13-16
Sprecher mit Zitatstimme: Das Passahfest der Juden war nahe, und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttete er aus, und ihre Tische stieß er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle.
Johannes beschreibt hier etwas, was wir heute noch von vielen Wallfahrts- und Pilgerorten kennen: das Miteinander von Kommerz und Glauben.
Jeder Jude, der im Tempel von Jerusalem opfern wollte, mußte sein Opfertier im Tempel selbst kaufen. Nur so, behaupteten zumindest die Priester, könnten sie die rituelle Reinheit der Opfertiere überwachen.
Für unseren Zusammenhang – für die Tempelsteuer – sind die Geldwechsler aber wesentlich interessanter als die Händler. Ihre Funktion war es, die Münzen, die die Besucher mitbrachten, umzuwechseln in tyrische Schekel, mit denen die Tempelsteuer bezahlt werden konnte.
So wird der Bargeldvorrat des jüdischen Tempels in erster Linie aus tyrischen Schekeln bestanden haben. Dies veranlaßt viele numismatisch interessierte Bibelexegeten anzunehmen, daß die 30 Silberlinge, die Judas Iskariot für seinen Verrat erhielt, tyrische Schekel waren.
Sprecherin: Aus dem Evangelium nach Matthäus 26, 14-15
Sprecher mit Zitatstimme: Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohepriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke.
Wobei wir hier mit den 30 Silberstücken wieder im Alten Testament angekommen sind. Die 30 Schekel waren eine symbolische Summe. Dies war der vom Gesetz vorgeschriebene Sühnepreis, der für einen durch einen Unfall ums Leben gekommenen Sklaven errichtet werden mußte.
Sprecherin: Aus dem Buch Exodus 21, 32
Sprecher mit Zitatstimme: Stößt das Rind einen Sklaven oder eine Sklavin, soll der Eigentümer dem Herrn dreißig Silberschekel zahlen.
Tatsächlich überliefert nur Matthäus die Anzahl der Münzen, alle anderen Evangelisten sprechen lediglich davon, daß Christus gegen Geld verraten wurde. Die Gier nach Geld wurde fortan zu einer der sieben Todsünden erklärt, Streben nach Geld und Reichtum verteufelt und die geistige Unabhängigkeit von materieller Sicherheit als Weg zu Christus gepriesen.
Sprecherin: Aus dem Brief des Paulus an Timotheus 6, 6-10.
Sprecher mit Zitatstimme: Die Frömmigkeit bringt in der Tat reichen Gewinn, wenn man nur genügsam ist. Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen.
Wer aber reich werden will, gerät in Versuchungen und Schlingen, er verfällt vielen sinnlosen und schädlichen Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel allen Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet.
Die Kirche selbst sollte sich in den Schlingen der Habsucht verfangen, als viele Gläubige, von den Worten Christi und seiner Apostel bewegt, sich von jedem Besitz trennten und ihn der Kirche anvertrauten. Aber das ist bereits ein anderes Thema ...