Über Geld hinaus
Sie heißen EulachTaler in der Schweiz, Chiemgauer in Deutschland oder Blaufrank in Österreich. Gemeint ist das Regiogeld, ein komplementäres Bezahlsystem, das neben der offiziellen Landeswährung besteht und abgekoppelt ist von den großen nationalen und internationalen Geldströmen. Doch die beschauliche Idylle trügt. Auch das Regiogeld ist in seinem Wert meist an das offizielle Landesgeld gekoppelt. Was tun, wenn die Landeswährung kriselt, wenn es zu einer Inflation kommt?
Es gibt viele Versuche, alternativ zu bezahlen, zu wirtschaften, zu handeln. Man kann dem Geld seine Mängel austreiben, „gutes Geld“schaffen, etwa so wie beim Gemüse: regional, saisonal, bio, fair trade. Aber geht das wirklich? Bleibt Geld nicht immer Geld.
Etwas weiter gehen die sogenannten Tauschkreise oder Tauschringe. Dort ist die Währung Zeit. Denn Lebenszeit ist für alle gleich. Ob ich eine Stunde lang die Wohnung putze oder eine Stunde lang an meinem Forschungsprojekt arbeite, jeweils ist eine Stunde Lebenszeit vergangen, „investiert“ worden. Aber kann eine so komplexe Wirtschaft wie unsere heutige auf Zeittausch basieren?
Vielleicht würden ein paar Reformen reichen? Seit Jahren geistert der Begriff „Finanztransaktionssteuer“ immer wieder als vermeintliches Allheilmittel durch die Medien, aber auch Eingriffe beim Zinssystem sind denkbar. Doch akzeptiert das „Geldsystem“ solche Eingriffe? Schließlich widersprechen sie dem inneren Antrieb des Geldes im modernen Kapitalismus, sich zu vermehren, optimiert zu werden, mehr Leistung zu erzeugen …
Was sind praktikable Alternativen zu den Problemen des Kapitalismus, wie wir ihn kennen? Diese Frage treibt uns um und wir möchten weitere Ideen untersuchen, Forschungen unterstützen, alte Konzepte zusammenführen und neue Konzepte entwickeln.
Ein alternatives Feld besteht darin, unser Wirtschaften vom individuellen Gewinnstreben zu lösen und zurückzukehren zu einem traditionellen Wirtschaftsverständnis, nämlich dem des Gemeinwohls oder des gemeinsamen Arbeitens. Früher besaßen auch bei uns in Europa die Gemeinwesen Grund und Boden, der allen gehörte und der gemeinsam genutzt wurde, die Allmende. Heute kennen wir so etwas wie die Informationen und Bilddatenbank von Wikipedia, die unter einer Commons-Lizenz veröffentlicht werden. Commoning und Share Economy sind zentrale Schlagworte in diesem Zusammenhang: Objekte oder Dienste werden nicht mehr von jedem Einzelnen gekauft, sondern gemeinschaftlich genutzt.
Wir müssen uns fragen: Ist ein Wirtschaften, das das Wohl aller Menschen verbessert, überhaupt mit Geld zu denken? Oder führen die Vorzüge des Geldes nicht sofort dazu, dass es sich nicht unterordnet, sondern ein Wirtschaftssystem komplett beherrscht?
Führt ein radikaler Ansatz zu einer praktikablen Alternative? Oder die Kombination mehrerer weniger harter Ideen? Eines ist klar: Wir müssen unser System weiter hinterfragen – und auch die Alternativen.