Christian Sigismund Liebe, Gotha numaria, 1730
Christian Sigismund Liebe, Gotha numaria, sistens thesauri Fridericiani numismata antiqua aurea, argentea, aerea ea ratione descripta
Gedruckt in Amsterdam von R. und J. Westenios im Jahr 1730
Was tut man, wenn man Ambitionen hat, die eigenen Mittel aber nicht mit den Ansprüchen mithalten können? Man wirft seine eigene Person in die Waagschale, protzt mit seinem beeindruckenden Aussehen (falls vorhanden), mit seiner Intelligenz (noch schwieriger) oder mit seinem breiten Wissen. Wenn man ein Fürst ist, dann hat man noch dazu den Vorteil, dass man sich letzteres einkaufen kann, und genau das tat Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, als er 1712 die berühmte Münzsammlung von Graf Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt erwarb.
Diesem letzteren Fürsten – der rangmäßig ebenfalls höchstens in der dritten Liga spielte – war es gelungen, den damals berühmten Numismatiker Andreas Morell als Kustos seiner Sammlung zu gewinnen. Der organisierte nun für Anton Günther den Ankauf von äußerst seltenen und historisch bedeutenden Münzen, und das war entschieden billiger als der Bau eines neuen Schlosses oder die Durchführung eines opulenten Festes. Auf dem Feld der Numismatik zeichnete sich Graf Anton Günther bald derart aus, dass seine Münzsammlung als „Zierde Deutschlands“ und als eines der „vollkommensten und schönsten Kabinette“ bezeichnet wurde. Und das war wichtig, denn natürlich strebte auch Anton Günther danach, von der dritten Liga in die zweite Liga aufzusteigen.
Dies gelang ihm 1709, als ihn der Kaiser in den Reichsfürstenstand erhob. Eine teure Angelegenheit. Anton Günther musste ans Eingemachte. Für 100.000 Taler verkaufte er seine berühmte Münzsammlung nach Gotha. Er brauchte sie ja auch nicht mehr, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatte, und die Standeserhöhung verbrieft war.
Nun konnte Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg den Münzsammlungs-Joker ausspielen. Aber dafür war es wichtig, dass die ganze Welt erfuhr, was für eine spektakuläre Sammlung er besaß. Zu diesem Zweck ließ er einen repräsentativen Raum bauen, in dem Besucher den Schatz bewundern konnten. Er beauftragte den Erfurter Medailleur Nikolaus Seeländer eine repräsentative Silbermedaille zu schaffen und gab die Publikation der Sammlung in Auftrag. Natürlich wählte man als Sprache für das Buch das Lateinische. Schließlich konnten damit alle Gelehrten im In- und Ausland lesen, welche Schätze auf Gotha zu finden seien.
Gotha war fortan ein internationales Zentrum für alle Freunde der Numismatik, und derer gab es im Hochadel viele, denn wie heute Golf, Dressurreiten oder Segeln galt damals die Numismatik als die edelste Beschäftigung würdig eines Herrschers.
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs kam die berühmte Sammlung abhanden. Und es war der Verfasserin dieser Zeilen ein echtes Vergnügen, bei der Rückführung der Sammlung im Jahr 2012 mit Rat und Tat geholfen zu haben. Die Sammlung, die 1730 von Christian Sigismund Liebe beschrieben wurde, kann deshalb heute wieder auf Schloss Friedenstein in Gotha besichtigt werden.
Ursula Kampmann