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Wenn Münzen miteinander lachen und streiten - Teil 3 - Münzen aus der Neuzeit

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Dieses Video folgt der Direktionsassistentin des MoneyMuseums zur Vitrine mit den neuzeitlichen Münzen der Sammlung. Fünf besonders prominente Exemplare sind darin ausgestellt: ein spanischer Peso, ein Dollar, ein Maria-Theresien-Taler sowie ein Guldiner des österreichischen Erzherzogs Sigismund – und schliesslich eine Münze, die so gar nicht zu den anderen passt: der Euro. Er wirkt wie ein Kuckuck im fremden Nest und ist den anderen überhaupt nicht willkommen. Jedenfalls sind die Münzen heftig am Streiten, als die Direktionsassistentin zu ihnen tritt. Vor allem der Dollar und der Euro können's – was Wunder – wenig miteinander.

 

 

Sprecher: Im sonst eigentlich ganz friedlichen MoneyMuseum gibt es seit neuestem heftige Auseinandersetzungen. Schuld daran, finden die meisten, ist ein Neuankömmling.An ihm scheiden sich die Geister. In der Gesellschaft, im Museum – und besonders im Saal «Neuzeit»: Hier liegt nämlich – seit seiner Einführung – auch der Euro neben traditionsbewussten Münzen wie Guldiner und Maria-Theresia Taler  in direkter Nachbarschaft zum selbstbewussten Dollar oder dem etwas liberaleren Peso  Wenn in Vollmondnächten die Münzen zum Leben erwachen, kochen die Emotionen über. Und genau in so einem Moment betritt die Direktionsassistentin den Saal ...

 

Guldiner: (von etwas weiter weg) Haben die Leute vom MoneyMuseum eigentlich nicht mehr alle Tassen im Schrank? Wer ist auf die absurde Idee gekommen, diesen zweifarbigen Schützentaler aus Trompetengold hier zu uns in die Vitrine zu legen?

 

Peso: (näher) Eine Zumutung!

 

Dollar: (ganz nah und brummelig) Ziemlich uncool!

 

Direktionsassistentin: (vor den Vitrinen stehen bleibend) Sagt mal, meine Lieben, was um Himmels Willen ist in euch gefahren?!

 

Guldiner: Wie ich schon hundertmal gesagt habe: Als Guldiner seiner Majestät Erzherzog Sigismund von Österreich verlange ich, dass dieses Unding da unverzüglich aus meinen Augen und aus unserer Vitrine entfernt wird. Unverzüglich!

 

Direktionsassistentin: Immer mit der Ruhe, Guldiner! Als Direktionsassistentin kann ich dir sagen, dass die Leute vom MoneyMuseum gewöhnlich wissen, was sie tun. Das sind Fachleute.

 

Guldiner: MoneyMuseum! Fachleute! Pah! – Willst du mir etwa weismachen, dass dieser weissgelbe U-Bahn-Jeton da eine Münze sein soll?!

 

Direktionsassistentin: Klar, Guldiner, das ist der Euro – die erste europäische Einheitswährung und damit letztendlich auch ein Nachkomme von dir!

 

Guldiner: Wie bitte?! Das potthässliche Ding da will mit dem Ziehvater aller Taler verwandt sein?! Der ist ja nicht mal aus Edelmetall wie ich und meine Enkel hier!

 

Euro: (ironisch) Na, seine Majestät der Guldiner von Erzherzog Sigismund von Österreich leben halt immer noch im Irrglauben, dass mit ihm die Münzgeschichte Europas den absoluten Höhepunkt erreicht hat – so à la: «Sigismund, Erzherzog von Österreich, erfand den Guldiner, eine Silbermünze im Wert eines Goldgulden. Und als dann die böhmischen Grafen Schlick in ihrem gottverlassenen Joachimsthal 1520 begannen, Guldiner in riesigen Mengen zu prägen, nahm die Erfolgsgeschichte des Talers ihren Lauf: Taler, Daalder, Peso, Dollar, Yen und Yüan – Taler, wohin man auch sieht.» – (Lachend) Und wenn sie nicht gestorben sind, dann talern sie noch heute – äh, leben natürlich, nicht wahr, Sigismund, alter Knabe? Bist schon lange weg vom Fenster. Die Zeiten ändern sich! Als Münzmetall haben Silber und Gold schon lange ausgedient. Man muss eben mit der Zeit gehen, sonst hat man bald bloss noch Museums- und Sammlerwert. Ätsch!

 

Maria-Theresien-Taler: Also bittschön! Ihr seid allesamt unmöglich! Du, Eurojüngelchen, bring uns Altvorderen gefälligst ein bisschen Respekt entgegen! Und du, Onkel Guldiner, sei doch nicht so altmodisch und versnobt!

 

Dollar: Yeah, ganz meiner Meinung, Mary-Taler, honey. Man muss offen sein für Neues, sonst geht man unter! Wie ich immer sage: No risk, no fun!

 

Maria-Theresien-Taler: Nenn mich gefälligst nicht «Mary», du ungehobelter Kerl mit Starallüren! Und das «honey» kannst du dir auch sparen. Ich bin ein ehrwürdiger, weit gereister Maria-Theresien-Taler!

 

Peso: Recht hast du, Kusine, gib’s ihm! Ja, Mister Dollar, pass du nur schön auf, dass dir der liebe Euro den Rang nicht abläuft!

 

Dollar: (spöttisch lachend) Come on, Peso, big fella. Hast wohl immer noch nicht vergessen, dass ich dich seinerzeit aus dem Rennen gedrängt habe! Der Euro mir den Rang ablaufen?! Give me a break! Der ist noch nicht geboren, der mir, dem US-Dollar, der Weltwährung Number One, den Rang ablaufen könnte!

 

Euro: (abschätzig) Weltwährung! Weltwährung! – Da sei dir mal nicht so sicher, Mister Dollar!

 

Guldiner: Jetzt fängt das schon wieder an! Seit wir den Euro in der Vitrine haben, gibt es dauernd Krach zwischen Euro und Dollar.

 

Direktionsassistentin: Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass ihr euch wegen einer neuen Münze dermassen in die Haare kriegt!

 

Euro: Das ist ja noch harmlos gerade. Du solltest die sonst mal hören! Dass der alte Guldi an mir rum nörgelt, das kann ich ja noch verstehen. Von so einem alten Knacker aus dem Jahr 1486 kann man ja nichts anderes erwarten. Vom Peso hab ich mir aber doch ’n bisschen mehr erhofft. Der gute Junge ist ja weit gereist, sollte die Welt kennen: Nord- und Südamerika, Asien. Schliesslich hat er dort ja einiges bewegt. – Und auch den altehrwürdigen Maria-Theresien-Taler hätt ich mir ’n bisschen aufgeschlossener vorgestellt. Wo die Mary früher nicht überall ihre Finger drin hatte – von den Niederlanden bis zu den abessinischen Kaffeeländern war die doch in allen Händen! Die müsste doch eigentlich am besten wissen, wie es ist, eine Handelsmünze und nicht an nationale Grenzen gebunden zu sein. – Aber was soll’s, das Gekeife kann mir nichts anhaben. Sind ja eh alle von gestern. Verstaubte Münzen! Altmetall! Bäh!

 

Direktionsassistentin: Ach komm. Verstaubte Münzen und Altmetall! – Das ist nicht besonders nett! Das sind immerhin Museumsstücke, die für ein Stück Wirtschaftsgeschichte stehen. Und ausserdem: «ausrangiert» – für den Dollar gilt das ja wohl nicht.

 

Euro: Ach der, vor dem hab ich keine Angst. Der soll sich bloss in Acht nehmen, der alte Knabe.

 

Direktionsassistentin: Na, Euro, auch wenn du ein Frischling bist, an Selbstbewusstsein mangelt’s dir bestimmt nicht!

 

Guldiner: Tja, Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall!

 

Direktionsassistentin: Nun aber mal ganz im Ernst: Jetzt sagt doch mal klipp und klar, was euch an dem Euro nicht passt. Ihr seid ja alle weit gereist und habt viel gesehen – na ja, mit Ausnahme des Guldiners vielleicht. Also: Am übernationalen Charakter des Euro kann’s ja wirklich nicht liegen.

 

Guldiner: Neue Münze! Das ist es ja grade. Der sieht ja nicht mal wie eine anständige Münze aus!

 

Direktionsassistentin: Wie meinst du das?

 

Guldiner: Schau dir den Peso an: nicht gerade ein Ausbund an Schönheit, zugegeben, aber immerhin ein würdiger Nachfahre und Verwandter von mir. Ein echter Taler, Silber, 28 Gramm schwer. Auf der Vorderseite hast du das gekrönte Wappen Spaniens. Auf der Rückseite die Alte und die Neue Welt zwischen den Säulen des Herakles. Dazu die Legende «VTRAQUE VNUM». Gemeint ist natürlich, dass die spanischen Kolonien und das Mutterland eins sind.

 

Direktionsassistentin: Worauf willst du hinaus?

 

Guldiner: Schau mich mal an. Was siehst du? Hier auf der Vorderseite hast du meinen Prägeherrn, den ehrwürdigen Erzherzog Sigismund mit Harnisch und Zepter. (Sich umdrehend) Auf der Rückseite siehst du dann den Erzherzog als Ritter und die Jahreszahl 1486.

 

Direktionsassistentin: Ja richtig. Und weiter?

 

Guldiner: (sich wieder zurückdrehend) Geduld, Geduld! Das merkst du gleich. Nun schau dir das süsse Kind, den Maria-Theresien-Taler, an.

 

Euro: Mann! Immer muss er den Maria-Theresien-Taler herausheben, nur weil er sein Landsmann ist. Nicht zum Aushalten!

 

Direktionsassistentin: Komm Euro, beherrsch dich und lass den Guldiner ausreden.

 

Guldiner: Danke. Also – wo war ich stehen geblieben? Ah ja, bei meiner lieben Maria-Theresia-Münze, meiner süssen kleinen Talernichte.

 

Direktionsassistentin: Ja, weil sich die germanischen Könige als legitime Herrscher und Nachfolger des Römischen Reiches verstanden wissen wollten.

 

Maria-Theresien-Taler: Bei allem Respekt, Onkel Sigismund-Guldiner, aber wie du zu mir als Repräsentantin einer 63-Jährigen und Mutter von 16 Kindern «süsses Kind» sagen kannst, ist mir schleierhaft.

 

Guldiner: Na, na, na, also für mich bleibst du eben immer der kleine Resl-Taler und ein fähiges Kind dazu. – Aber nun zurück zu den Fragen unserer rührigen Direktionsassistentin. Also, schau ihn dir an, den Maria-Theresien-Taler: Auf der Vorderseite siehst du das Resl – na, Verzeihung: die Erzherzogin Maria-Theresia – im Witwenschleier. Na, Resl, dreh dich mal um!

 

Maria-Theresien-Taler: Ja, Moment ... (Sich ächzend umdrehend) So!

 

Guldiner: Ja, danke. – Also auf der Rückseite siehst du unser ehrwürdiges habsburgisches Wappen, die Kaiserkrone und die Jahreszahl 1780. Über diese Jahreszahl erzählt dir dann der Resl-Taler später noch etwas.

 

Direktionsassistentin: Okay.

 

Guldiner: Und jetzt zu dir, Junge! Auch der Dollar ist ein Taler, auch wenn er das gar nicht so gerne hört. Aber ein bisschen europäische Kultur kann dir nicht schaden! Na, komm schon her, Junge!

 

Dollar: Hey, easy Mann, bin erwachsen, ja?! Nenn mich nicht «Junge», sonst kannst du was erleben!

 

Guldiner: (lachend) Ich war auch nicht anders in deinem Alter! Aber ein bisschen besser benommen habe ich mich schon. Also, schau ihn dir an, unsern Spring-ins-Feld: auf der Vorderseite der Kopf der Liberty mit der Jahreszahl, auf der Rückseite der amerikanische Adler und die Bezeichnung «1 Dollar». Nun, junge Frau, ist das nun Geld?

 

Direktionsassistentin: (etwas ungehalten) Ja, sicher ist das Geld. Das sieht man ja!

 

Guldiner: Richtig, mein Kind. Und genau darum geht es. Ob du nun schon einen Maria-Theresien-Taler, einen Peso, einen Dollar – oder gar mich, den Urahnen dieser drei – gesehen hast oder nicht: Du erkennst uns auf einen Blick als Münze, als Geld.

 

Direktionsassistentin: Ja, natürlich. Ihr seid alle Münzen – Geld eben.

 

Euro: Unser Guldi ist mal wieder ganz in seinem Element. Endlich hat er ein Opfer gefunden, dem er die Psychologie des Geldes predigen kann.

 

Guldiner: Ruhe! Also, was siehst du beim Euro? Was ist anders?

 

Direktionsassistentin: Hm, na ja ... Also: Ihr alten Münzen seid alle aus Silber – einfarbig. Der Euro, der ist zweifarbig, so gold- und silberfarben.

 

Guldiner: Ja, und weiter?

 

Direktionsassistentin: Und dann hat der Euro ganz verschiedene Rückseiten – je nach EU-Nation, die ihn geprägt hat. Das ist sicher neu.

 

Guldiner: Nein, nein, das ist Schnee von gestern, das mit den unterschiedlichen Rückseiten, das gab’s schon mehrfach in der Geschichte.

 

Direktionsassistentin: (erstaunt) Ach was, das hab ich nicht gewusst. Wann denn?

 

Guldiner: Beispielsweise als im Zug der deutschen Einigung 1871 die Reichsmark erschaffen wurde, da haben die ehemals souveränen Fürstentümer das Recht erhalten, die Rückseite selbständig zu gestalten. – Aber zurück zu unserer Frage: Was macht eine Münze zur Münze? Wie unterscheidet sich der Euro noch von uns?

 

Direktionsassistentin: Tja, lass mal sehen ... Also bei euch ist die Schrift ganz anders. Die geht immer rundherum. Ja und von der Gestaltung her ...: Ihr seid ziemlich symmetrisch, soweit das Münzbild das zulässt. Ein recht ruhiges Bild, würde ich sagen. Beim Euro ist das anders: Die Vorderseite mit der Europakarte – das ist ein bisschen exzentrisch. Ausserdem läuft die Schrift nicht am Münzrand entlang, sondern quer über die Karte. Und die Schrift ist viel grösser als bei euch. Bei euch gibt es irgendwie mehr Bildsprache.

 

Guldiner: Kluges Kind! Wahrhaftig, eine wirklich gute Beobachtung. Bravo! Und jetzt, was ist deine Schlussfolgerung? Ist der Euro eine Münze oder ein Metro-Jeton?

 

Direktionsassistentin: Äh, natürlich ist er eine Münze! Vielleicht ein bisschen ungewohnt noch, aber das ist sicher eine Frage der Sehgewohnheit.

 

Euro: (spöttisch lachend) Sigismund-Guldiner, das war aber ein Schuss in den Ofen! «Ungewohnt» hat sie gesagt. Sag ich doch, ich bin modern! 21. Jahrhundert eben! Und ihr, ihr seid nichts als verkalkte alte Säcke!

 

Maria-Theresien-Taler: Na Euro, freu dich nicht zu früh. Ob du mal so beliebt wirst wie ich, steht noch in den Sternen. Also immer schön sachte beim Verteilen von «alten Säcken».

 

Direktionsassistentin: Apropos «alt»: Was war denn nun 1780? Ich denk, da gibt’s noch eine Geschichte.

 

Maria-Theresien-Taler: Oh ja – und was für eine Geschichte! Eine Geschichte über Menschen und ihre Wahrnehmung, es geht um Psychologie! Weisst du, als meine Herrin, die Erzherzogin und frühere Kaiserin Maria-Theresia 1780 starb, haben die Leute um sie getrauert. Sie war nämlich eine wirklich bemerkenswerte Herrscherin. Die hohen Herren verfuhren trotzdem im Stil von: «Der König ist tot! Lang lebe der König!» Aber eben: Da haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Haben die menschliche Psychologie vernachlässigt! Wir sind damals einem Desaster nur um Haaresbreite entgangen. – Was ich sagen will: Als Maria Theresia starb, wollte man logischerweise mit der Prägung ihrer Taler aufhören. Es ist ja sinnlos, Münzen mit dem Porträt einer toten Herrscherin zu prägen. Da hättest du aber unsere arabischen Handelspartner hören sollen! Die wollten partout keine andere Münze in Zahlung nehmen. «Nein, nein!», hiess es überall, «wir wollen keine Münzen mit Kaiser Ferdinand. Wir wollen den Maria-Theresien-Taler, dem vertrauen wir. Entweder bezahlt ihr uns in Maria-Theresien-Talern – oder aus dem Geschäft wird nichts! Ohne Maria-Theresien-Taler kein Kaffee und keine Gewürze!» – Du hättest das sehen sollen: Die Nachricht hat in Wien wie eine Bombe eingeschlagen! So etwas hat es noch nie gegeben. Man hat es mit gutem Zureden versucht, aber es hat nichts genutzt. Die wollten einfach den Maria-Theresien-Taler, Punktum! Na, du kannst dir wohl vorstellen, dass man keine Lust hatte, das lukrative Kaffeegeschäft flöten gehen zu lassen. Da hat man in Wien und Hall und allen anderen habsburgischen Münzstätten ganz schnell wieder den Maria-Theresien-Taler für den Aussenhandel geprägt. – Das, meine Liebe, nenn ich eine unvorhersehbare, aber höchst aufschlussreiche Reaktion. Und das Phänomen steht in der Geschichte nicht alleine da. Man findet es immer wieder. Tja, die Psychologie des Geldes ist komplex und vielschichtig. Da sieht man sich plötzlich mit Dingen konfrontiert, die man gar nicht erwartet hat.

 

Dollar: Yeah! Schau mir in die Augen, Kleines. Meine Macher haben was von Psychologie verstanden. Die wollten keine unnötigen Risiken eingehen. Erfolg muss eine Münze haben! Von den Leuten geliebt werden muss sie!

 

Direktionsassistentin: Hm, wie meinst du das?

 

Dollar: Okey-dokey! Here we go! Haste schon mal den römischen Sesterz mit dem Porträt der Livia Drusilla aus dem 1. Jahrhundert nach Christus gesehen? Nein? Halb so schlimm. Wenn du mal Zeit hast, schau ihn dir gut an. Und du wirst sehen, dass meine Liberty sehr viele Gemeinsamkeiten mit der guten Livia hat. Meine Macher wussten eben, was sie taten. Wussten, dass etwas, dass sich in der Vergangenheit bewährt, gute Chancen hat, sich auch in der Zukunft zu bewähren. Die Leute mögen noch so aufgeschlossen und fortschrittlich sein. Wenn’s um Money geht, sind sie alle stockkonservativ. Wollen was Bewährtes, das Vertrauen einflösst und Kontinuität ausstrahlt. Well, und das haben sich auch meine Macher gesagt und sich an der guten, alten Livia ein Vorbild genommen. Sie haben sie ein bisschen aufgeboostet, ’n bisschen plastische Chirurgie und – wow! – schon war Liby geboren mit ihrem Spirit of Freedom. Oder anders gesagt: Der amerikanische Dollar war da: vertrauensbildend, respektgebietend und tough! Und zum Schluss haben sie das Ganze mit einem fetzigen Spruch garniert.

 

Direktionsassistentin: Also besonders innovativ ist der Spruch «E PLURIBUS UNUM» nicht gerade. Da hört man doch das «VTRAQUE VNUM» des Peso gleich um die Ecke husten.

 

Dollar: (lachend) You got it, sweetheart, you got it! Das ist ja grad der Witz an der Sache. Eine erfolgreiche Münze is’n smarter Mix: alte, vertrauensbildende Versatzstücke im visionären Gewand – das ist der Schlüssel zum Erfolg! Well, if you’re gonna make it, you gotta be tough! Und Erfolg ist alles, was zählt. Schau mich an: Ich bin von Anfang an auf Erfolg und Performance getrimmt. Und wie man tagtäglich sieht: Ich hab Erfolg! (Wieder lachend) Erfolg liegt auf der Strasse, aber smart, smart muss man schon sein! Yeah!

 

Direktionsassistentin: Ihr meint also, dass der Euro keinen grossen Erfolg haben wird, weil ihm ein Motto fehlt? – Aber du, Guldiner, und du, Maria-Theresien-Taler, ihr habt doch auch keinen Leitspruch.

 

Guldiner: Brauchen wir auch nicht, weil wir unsere Adelstitel in der Legende haben und unsere Herrschaftsinsignien – Wappen, Zepter usw. – gezeigt werden. Das ist Programm genug! Wenn du aber keine Herrschaftsinsignien und Titel vorweisen kannst, dann tust du gut daran, einen Leitspruch, eine Vision, und damit auch ein Programm zu haben.

 

Direktionsassistentin: Vielleicht sind Leitsprüche einfach nicht mehr modern?

 

Peso: Die mögen vielleicht nicht ultramodern sein, aber wirksam sind sie trotzdem. Die Menschen haben sich nicht verändert. Heute braucht man ein Motto, eine Vision mehr denn je!

 

Direktionsassistentin: Hm, da magst du Recht haben. Aber der Euro hat doch auch eine ganze Reihe von traditionellen Elementen: auf der Rückseite der deutschen Euromünzen beispielsweise den deutschen Adler, in Spanien König Juan Carlos ...

 

Guldiner: Ja, aber ohne Herrschaftsinsignien. Sieht ja nicht mal wie ein König aus, sondern völlig verbürgerlicht und unmajestätisch! Also, wenn wir Habsburger noch auf dem spanischen Thron sässen, säh das ganz anders aus, das kann ich euch sagen!

 

Direktionsassistentin: In Österreich Mozart, in Italien Botticellis Venus, Dante Alighieri, eine Zeichnung von Leonardo da Vinci ...

 

Peso: Ja, und genau hier geht doch die Sache nicht auf. Man setzt doch nicht Künstler auf eine Münze – und seien es noch so gute! Künstlerporträts und Kunstwerke gehören auf Gedenkmedaillen, nicht auf Geld! Auf eine Münze gehört der Herrscher oder ein Symbol für die Institution, die für die Münze und ihren Wert garantiert. Die Münze hat selbst ein Kunstwerk zu sein, sie soll nicht bloss eines abbilden! Sonst ist sie eben bloss eine Gedenkmünze und kein wirkliches Geld.

 

Dollar: Right so! Und mehr noch: Is ja alles Schnee von gestern beim Euro. Alte Elemente verwenden is ja ganz okay, aber das darf nicht so offensichtlich sein. Die alten Elemente müssen transformiert werden, aktualisiert, ins Hier und Jetzt gebracht. Sonst ist es einfach nur kalter Kaffee! Und das interessiert ja bekanntlich keinen. Nobody, sag ich euch.

 

Direktionsassistentin: Tja, ich sehe schon, was ihr meint. Aber man muss dem Euro eine Chance geben. Rom ist schliesslich auch nicht an einem Tag erbaut worden.

 

Maria-Theresien-Taler: Einverstanden, man muss ihm eine Chance geben. Aber wir alten Münzen hier sind der Meinung, dass die geistigen Väter und Mütter der Euromünzen ihren Kindern unnötige Steine in den Weg gelegt haben.

 

Direktionsassistentin: Vielleicht. Aber die Leute in der EU bezahlen und rechnen inzwischen in Euro. Sie haben auch gar keine andere Wahl, sie müssen den Euro zwangsläufig akzeptieren. Von daher wird die Münze so oder so Erfolg haben.

 

Euro: Hey, danke, dass du ein gutes Wort für mich einlegst. Die andern lassen ja kein gutes Haar an mir.

 

Direktionsassistentin: Also ich finde, dass ihr dem Euro eine faire Chance geben solltet. Er ist jetzt eine Tatsache – und er wird bei euch in der Vitrine bleiben – ob euch das nun passt oder nicht. Ihr könnt nicht die ganze Zeit auf ihm herumtrampeln.

 

Peso: Na ja, stimmt schon, besonders nett haben wir ihn nicht aufgenommen.

 

Maria-Theresien-Taler: Na ja ...

 

Guldiner: Na ja, stimmt schon ...

 

Dollar: Life is tough, Sonny.

 

Peso: Vielleicht könnten wir ein bisschen netter sein.

 

Dollar: (seufzend) Okay. Come on, old boy, give me a hug!

 

Direktionsassistentin: Bravo! Der Dollar macht’s vor. Kommt schon: Begrüsst den Euro endlich mal herzlich und lasst ihn hochleben, wie es gehört!

 

Maria-Theresien-Taler: Also gut!

 

Guldiner: (sich räuspernd) Also, na dann ...

 

Alle Münzen gleichzeitig: (singend) Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimaaal hoch! Hoch! Hoch! Hoch! (Schulterklopfen, knallende Champagnerkorken, Gläserklirren, Stimmgewirr. Dann Direktionsassistentin ab)

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