Schefolds Reihe der Klassiker der Nationalökonomie
Ökonomie aus ,Muqaddima‘
Ibn Khalduns wirtschaftliche Überlegungen aus der Muqaddima (1401) gehören zu den wegweisenden Beiträgen der islamischen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. In seinem bahnbrechenden Werk analysierte der arabische Historiker und Philosoph grundlegende ökonomische Prinzipien, die weit über seine Zeit hinaus von Bedeutung sind. Seine Theorien über Arbeitsteilung, Besteuerung, den Staat und wirtschaftliche Zyklen bieten eine frühe und bemerkenswert fortschrittliche Sichtweise auf ökonomische Prozesse.
Ein zentrales Element seiner Wirtschaftslehre ist die Vorstellung von Arbeit als Quelle des Wohlstands. Ibn Khaldun argumentiert, dass der wirtschaftliche Fortschritt einer Gesellschaft von der Spezialisierung und der Arbeitsteilung abhängt. Wenn Menschen sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren und miteinander handeln, steigt die Produktivität und der Wohlstand der Gemeinschaft. Diese Idee bildet eine frühe Vorwegnahme späterer klassischer ökonomischer Theorien.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist seine Theorie über den Zyklus von Aufstieg und Fall von Staaten. Ibn Khaldun beschreibt, wie Gesellschaften in ihrer Anfangsphase durch Solidarität (asabiyya) geeint sind, was ihnen wirtschaftliche und politische Stärke verleiht. Doch mit wachsendem Wohlstand nimmt der Luxus zu, was zu einem Rückgang der Arbeitsethik und einer wachsenden Abhängigkeit vom Staat führt. Die Wirtschaft wird träge, und übermäßige Besteuerung erstickt die Produktivität, was schließlich zum Niedergang des Staates beiträgt.
Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Besteuerung. Er stellt fest, dass hohe Steuern kurzfristig die Einnahmen des Staates erhöhen können, langfristig jedoch die wirtschaftliche Aktivität hemmen und zur Verarmung der Bevölkerung führen. Diese Einsicht erinnert an spätere Theorien wie die Laffer-Kurve, die ein ähnliches Verhältnis zwischen Steuerlast und Staatseinnahmen beschreibt.
Ibn Khalduns Werk ist nicht nur eine wirtschaftstheoretische Analyse, sondern auch eine sozialwissenschaftliche Reflexion über den Zusammenhang zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur. Er erkannte, dass wirtschaftliche Entwicklungen nicht isoliert betrachtet werden können, sondern immer im Kontext gesellschaftlicher Strukturen und historischer Zyklen stehen.
Seine ökonomischen Theorien fanden erst Jahrhunderte später breitere Anerkennung, doch sein Werk bleibt ein bedeutender Beitrag zur Entwicklung wirtschaftswissenschaftlicher Konzepte.