Schefolds Reihe der Klassiker der Nationalökonomie
Essai sur la nature du commerce en général
Richard Cantillons Essai sur la nature du commerce en général (1755) ist ein einflussreiches wirtschaftstheoretisches Werk des 18. Jahrhunderts und gilt als eine der ersten systematischen Abhandlungen der Ökonomie. Cantillon, ein irischer Kaufmann und Bankier, entwickelte in diesem Werk zentrale Konzepte, die die klassische Nationalökonomie maßgeblich beeinflussten.
Ein zentrales Thema des Essai ist die Theorie des Unternehmertums. Cantillon beschreibt den Unternehmer als zentrale Figur der Wirtschaft, der Risiken eingeht und Marktchancen nutzt, um Gewinne zu erzielen. Diese Sichtweise unterscheidet sich von früheren Ansätzen, in denen wirtschaftlicher Erfolg oft auf staatliche Förderung oder den Besitz von Land und Kapital zurückgeführt wurde. Seine Analyse der Unternehmerrolle beeinflusste später Ökonomen wie Jean-Baptiste Say und Joseph Schumpeter.
Ein weiteres zentrales Konzept ist seine Geldtheorie. Cantillon formuliert eine frühe Version der Quantitätstheorie des Geldes und beschreibt, wie Veränderungen in der Geldmenge zu Preisbewegungen führen. Dabei zeigt er, dass eine Inflation nicht alle Wirtschaftsakteure gleichermaßen trifft: Frühe Empfänger neuen Geldes profitieren, während spätere Nutzer unter Preissteigerungen leiden. Diese Erkenntnis wurde später als „Cantillon-Effekt“ bekannt und ist ein wichtiger Beitrag zur modernen Geldtheorie.
Darüber hinaus entwickelt Cantillon eine differenzierte Theorie der Einkommensverteilung. Er teilt die Gesellschaft in drei Hauptgruppen ein: Landbesitzer, Unternehmer und Arbeiter. Während Landbesitzer durch Pachteinnahmen profitieren und Unternehmer durch Risikobereitschaft Gewinne erzielen, bleibt die Situation der Arbeiter weitgehend stabil, da ihre Einkommen durch Marktmechanismen bestimmt werden. Diese Analyse bietet eine frühe Form der späteren Lohn- und Preistheorien.
Auch in der Handelstheorie liefert Cantillon innovative Ansätze. Er erkennt, dass Handelsströme durch unterschiedliche Produktionskosten bestimmt werden und dass Länder sich auf die Produktion jener Güter spezialisieren sollten, in denen sie Vorteile haben. Diese Überlegung bildet eine Grundlage für spätere Theorien des komparativen Vorteils von David Ricardo.
Das Essai sur la nature du commerce en général bleibt ein fundamentales Werk der Wirtschaftswissenschaft. Seine detaillierte Analyse von Geld, Unternehmertum und Marktmechanismen markiert einen Wendepunkt in der ökonomischen Theorie und bildet eine wichtige Brücke zwischen den frühen merkantilistischen Ansätzen und der klassischen Ökonomie.