Schefolds Reihe der Klassiker der Nationalökonomie
Positive Theorie des Kapitales. (Kapital und Kapitalzins: Zweite Abtheilung)
Eugen von Böhm-Bawerks Positive Theorie des Kapitales (1889) ist eines der zentralen Werke der österreichischen Schule der Nationalökonomie und eine tiefgehende Analyse der Kapitaltheorie. Böhm-Bawerk entwickelt darin seine Zeitpräferenztheorie des Zinses und widerlegt frühere Erklärungen der Kapitalverzinsung.
Ein zentrales Thema des Werks ist die Natur des Kapitals. Böhm-Bawerk definiert Kapital als ein Mittel zur Überbrückung der Zeit zwischen Produktion und Konsum. Er argumentiert, dass produktivere, aber zeitintensivere Produktionsmethoden langfristig zu mehr Wohlstand führen. Diese Sichtweise war wegweisend für die spätere Investitionstheorie.
Ein weiteres wichtiges Konzept ist die Zeitpräferenztheorie des Zinses. Böhm-Bawerk erklärt, dass Menschen gegenwärtigen Konsum höher bewerten als zukünftigen Konsum und deshalb bereit sind, für aufgeschobenen Konsum eine Prämie in Form von Zinsen zu zahlen. Diese Theorie widerspricht der klassischen Annahme, dass Zinsen allein aus der Produktivität des Kapitals resultieren, und bleibt bis heute eine Grundlage der modernen Kapitalmarkttheorie.
Besonders bemerkenswert ist seine Kritik an der Arbeitswerttheorie. Böhm-Bawerk argumentiert, dass der Wert eines Gutes nicht nur durch die aufgewendete Arbeitszeit bestimmt wird, sondern durch die subjektive Bewertung der Konsumenten und die Produktionsdauer. Diese Erkenntnis stärkte die Position der subjektiven Wertlehre in der Wirtschaftstheorie.
Darüber hinaus beschäftigt sich Böhm-Bawerk mit der Struktur der Produktionsprozesse. Er zeigt, dass eine längere Produktionsdauer oft effizienter ist, weil sie eine höhere Produktivität ermöglicht. Diese Analyse führte zur Entwicklung der Theorie der Produktionsumwege und hatte großen Einfluss auf spätere wirtschaftliche Forschungen.
Positive Theorie des Kapitales bleibt ein fundamentales Werk der Wirtschaftswissenschaften. Böhm-Bawerks Analysen zur Zeitpräferenz, Kapitalverzinsung und Produktionsstruktur machten ihn zu einem der wichtigsten Theoretiker der österreichischen Schule und beeinflussen bis heute die Kapital- und Investitionstheorie.