Schefolds Reihe der Klassiker der Nationalökonomie
Manuale di economia politica
Vilfredo Pareto veröffentlichte 1906 mit dem Manuale di economia politica (Handbuch der politischen Ökonomie) eines der einflussreichsten Werke der modernen Volkswirtschaftslehre. Das Buch markiert einen Wendepunkt in der Entwicklung der ökonomischen Theorie und verbindet erstmals mathematisch-naturwissenschaftliche Methoden mit einer tiefgehenden Gesellschaftsanalyse.
Im Mittelpunkt des Manuale di economia politica steht die Theorie des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Pareto knüpft an die marginalistische Revolution von Léon Walras, Carl Menger und William Stanley Jevons an und entwickelt diese weiter. Er distanziert sich vom klassischen Utilitarismus und führt den Begriff der „Ophelimität“ ein – eine subjektive Nutzenvorstellung, die sich von der Vorstellung eines objektiv messbaren Nutzens abhebt. Für Pareto ist der Nutzen eines Gutes nicht a priori gegeben, sondern hängt von den individuellen Präferenzen der Konsumenten ab.
Ein zentrales Konzept ist das sogenannte Pareto-Optimum: Ein Zustand, in dem es nicht möglich ist, jemanden besserzustellen, ohne gleichzeitig jemand anderen schlechterzustellen. Diese Idee hat die Wohlfahrtsökonomik und die Analyse von Allokationsproblemen bis heute maßgeblich geprägt. Pareto beweist mathematisch, dass Monopole und protektionistische Maßnahmen dem Verbraucher schaden und dass eine Umverteilung von Reichtum die Armut der unteren Schichten nicht nachhaltig beheben kann, solange das Bruttosozialprodukt nicht schneller wächst als die Bevölkerung.
Pareto versteht sich als Vertreter einer „reinen“ Ökonomie, die sich auf wertfreie, mathematische Analysen stützt. Dennoch verlässt er diesen Anspruch häufig und ergänzt sein Werk um scharfe, teils polemische Gesellschaftskritik. Der Aufbau des Buches spiegelt diese Ambivalenz wider: Nur vier der neun Kapitel behandeln die eigentlichen ökonomischen Theorien, während die übrigen Kapitel Paretos Ansichten über Politik, Gesellschaft und Moral enthalten.
Besonders bekannt wurde Pareto durch die Einführung der Indifferenzkurven, mit denen sich Konsumentenentscheidungen grafisch und mathematisch darstellen lassen. Diese Kurven zeigen, welche Güterkombinationen für einen Konsumenten gleichwertig sind, und bilden die Grundlage für die moderne mikroökonomische Konsumtheorie.
Pareto bettet seine ökonomischen Theorien in eine umfassende Gesellschaftsanalyse ein. Er vertritt sozialdarwinistische und antidemokratische Ansichten, etwa die These vom „Kreislauf der Eliten“: Demnach ersetzen sich herrschende Schichten ständig, weil alte Eliten durch Bequemlichkeit und Degeneration abgelöst werden. Diese Sichtweise führte dazu, dass Pareto später von den italienischen Faschisten als Theoretiker vereinnahmt wurde, obwohl er selbst ein erklärter Gegner aller Ideologien war.
Pareto kritisiert die Wohlfahrtspolitik seiner Zeit scharf, da sie seiner Meinung nach die „natürliche Auslese“ behindere und ein gesundes gesellschaftliches Gleichgewicht verhindere. Seine Polemik richtet sich gegen die Ideale und Ideologien seiner Epoche, die er als realitätsfern und schädlich betrachtet.
Das Manuale di economia politica begründete Paretos Ruf als einer der wichtigsten Vertreter der neoklassischen Ökonomie. Seine mathematische Fundierung, die Entwicklung des Pareto-Optimums und die Analyse der Einkommensverteilung (bekannt als Pareto-Verteilung oder 80/20-Regel) haben die Wirtschaftswissenschaften nachhaltig beeinflusst. Auch im Management und in der Qualitätssicherung findet das Pareto-Prinzip bis heute Anwendung.