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Francis Scott Fitzgerald, Die Schönen und Verdammten

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Publiziert von Manesse, Bibliothek der Weltliteratur, 1998

 

Was macht man, wenn man nicht arbeiten muss? Wie gibt man seinem Leben einen Sinn? Diese Frage stellt sich unwillkürlich bei der Lektüre von „Die Schönen und Verdammten“. Als der amerikanische Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald den Roman 1922 veröffentlichte, war er gerade mal 26 Jahre alt, dank seines zwei Jahre zuvor erschienen Erstlings „Diesseits des Paradieses“ reich und berühmt; und mindestens ebenso berüchtigt für sein exzessives Partyleben und seine glamouröse Ehefrau Zelda. Die Fitzgeralds stehen ikonenhaft für die „Roaring Twenties“, die kurze Zeit, in der eine Generation feierte, weil sie den grossen Krieg überlebt hatte, ohne zu wissen, wohin ihr Leben gehen sollte; die Zeit, in der Jazz den ekstatischen Soundtrack lieferte; die Zeit, die in den USA von Gegensätzen wie Prohibitionismus und Speakeasies geprägt war, von Weltwirtschaftskrise und Flappers, von einer „Lost Generation“, die sich mit Drogen und Exzessen betäubte.

 

Kaum ein anderer Schriftsteller hat das Lebensgefühl dieser Generation im „Jazz Age“ eingefangen wie F. Scott Fitzgerald. Er schrieb, wovon er etwas verstand, er schrieb von sich. Das war so klar, dass das Buchcover der Erstausgabe von „Die Schönen und Verdammten“ ein Paar zeigte, dessen Züge auf den ersten Blick denen der Fitzgeralds glichen. Dabei hiessen die beiden Hauptfiguren des Romans Anthony und Gloria. Egal, denn ihre Geschichte ist ebenfalls von sorglosem Feiern geprägt. Anthonys Lebenssinn besteht darin, auf das Erbe seines reichen Grossvaters zu warten, Gloria denkt nur an Konsum und Luxus. Sie verlieben sich, heiraten. Sie ist das ideale schmückende Beiwerk an seiner Seite, gemeinsam ist ihnen ihr Egoismus. So gut es geht, finanziert er seine anspruchsvolle Gattin, doch dann droht das Ende: Anthonys sittenstrenger Grossvater erwischt ihn beim Feiern und enterbt ihn. Zwar bekommt Anthony am Ende doch noch ein paar Millionen. Aber auf die Idee, eine Stiftung zu gründen oder Bedürftigen zu helfen, kommt er nicht. Masslos verprassen beide ihr Geld – wie die Fitzgeralds. Das beschleunigt nur noch den Zerfall der Beziehung, weil beide nun ihrem sinnlosen Zeitvertreib völlig hemmungslos nachgehen können. Es reisst sie in Alkoholismus und eine zerstörerische Hassliebe.

 

Fitzgerald schrieb hier vieles nieder, was ihm und seiner Frau in den folgenden zehn Jahren passieren würde. Ihr Glamourleben wurde zum Alptraum für beide. Zelda endete als psychisch krankes Wrack, der grosse Schriftsteller als Alkoholsüchtiger, der zwar ein echtes Lebensziel hatte, daran aber vermeintlich gescheitert war: als grösster Schriftsteller seiner Generation zu gelten. Tatsächlich erlebte Fitzgerald nicht mehr seinen dauerhaften Erfolg bei Kritikern und Lesern, als gnadenlos präziser Beobachter der Upper Class seiner Zeit – selten so pessimistisch wie in „Die Schönen und Verdammten“.

 

Auf den ersten Blick könnte man das Leben der Fitzgeralds für ebenso oberflächlich und konsumorientiert halten wie das der Romanfiguren. Aber mit einem Unterschied: Gloria und Anthony sehen in ihrem Leben keinen Sinn. Sie haben keine tiefen Wünsche und Werte, keine Aufgaben und Ziele. Die Fitzgeralds strebten beide nach literarischem Ruhm. Ihr Jet-Set-Leben genossen sie in vollen Zügen, es war aber vor allem ein Vehikel, um die beiden als Traumpaar ihrer Zeit zu etablieren und ihnen ständige Aufmerksamkeit zu sichern. Als Scott und Zelda sich ruiniert hatten, wandte sich das öffentliche Interesse von ihnen ab. Ihre Werke blieben.

 

Björn Schöpe

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