Die Nürnberger Fleischbrücke: Unzerstörbares Wunderwerk der Ingenieurskunst und zentrale Verkehrsader des Wirtschaftsbooms der Frühen Neuzeit
Woher kam das Fleisch, das man im Mittelalter aß? Eine kleine Medaille führt uns auf die Nürnberger Fleischerbrücke, über die das ungarische Schlachtvieh ins Schlachthaus geführt wurde.
Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Nürnberg. Wir befinden uns in den Jahren nach 1612 nach Christus.
Das ist eine kleine Silbermedaille, die zum Andenken an ein ganz besonderes Ereignis geprägt wurde. Woher sie kommt, das zeigen uns die Wappen auf ihrer Rückseite.
Links unten sehen Sie das große Stadtwappen von Nürnberg: Einen Adler mit einem gekrönten menschlichen Gesicht. Ursprünglich war das der Kopf eines Kaisers. Schließlich ist Nürnberg eine direkt dem Kaiser unterstellte Freie Reichsstadt. Aber im Laufe der Jahrzehnte wurde der Kopf immer weiblicher und der Leib des Adlers bekam weibliche Brüste. Die Nürnberger wollten das damit erklären, dass ihre Stadt noch nie erobert worden sei und damit unberührt wie eine Jungfrau.
Rechts daneben ist das kleine Stadtwappen von Nürnberg abgebildet: Ein gespaltener Schild mit einem halben Reichsadler auf der einen, sechs schrägen Balken auf der anderen Seite.
Damit ist klar, die Medaille kommt aus Nürnberg. Aber wann wurde sie geprägt? Dafür brauchen wir den oberen Schild.
Er zeigt den Reichsadler mit einem kleinen Herzschild, der auf den herrschenden Kaiser hinweist. Es handelt sich um den Habsburger Matthias, der 1612 zum Kaiser des Römischen Reichs bestellt wurde, und aus diesem Grund am 2. Juni des gleichen Jahres feierlich zur Huldigung in Nürnberg einzog. Er tat dies über eine Brücke, auf die damals alle Nürnberger unglaublich stolz waren. In einem einzigen steinernen Bogen überwand sie die Pegnitz. Ihre Konstruktion war eine Meisterleistung gewesen. Schließlich verzichtete sie trotz ihrer lichten Weite von 17 Metern auf einen Mittelpfeiler.
82.172 Gulden hatte der Bau dieses Wunderwerks gekostet - eine enorme Summe, wenn man bedenkt, dass ein Knecht damals für seine Arbeit rund 7 Gulden jährlich erhielt und Albrecht Dürer für sein Nürnberger Stadthaus 570 Gulden aufwenden musste.
Diese Brücke ist auf unserer Medaille zu sehen. Die Umschrift nennt das Datum ihrer Fertigstellung: Im Jahre 1598.
Unten fließt die Pegnitz, aus der zwei Männer in einem Kahn mit einem großen Netz Fische herausholen. Auf der Brücke treibt ein Bauer die Pferde an, die seinen schwer beladenen Karren ziehen. Aber was ist das? Geradezu im Zentrum der Brücke ist ein Ochse dargestellt, den ein Bauer zu einem Gebäude führt. Dieser Ochse gibt uns einen Hinweis auf den Namen der Brücke. Die Nürnberger nennen sie noch heute die Fleischbrücke.
Ihren Namen erhielt sie, weil sie direkt zum Schlachthaus und zum angrenzenden Fleischmarkt führte. Ein Ochse war über dem Tor zum Schlachthaus zu sehen.
Das Rind war zum Zeitpunkt, als diese Medaille geprägt wurde, der wichtigste Fleischlieferant für eine städtische Bevölkerung. Sechzig Prozent des Bedarfs wurde mit seinem Fleisch gedeckt. Zwanzig Prozent stammte vom Schwein, je zehn Prozent von Ziegen und Schafen, und auch das Jagdwild schlug noch mit zehn Prozent zu Buche.
Die geschlachteten Rinder waren damals allerdings wesentlich kleiner. Während heutzutage ein Tier bereits nach knapp einem Jahr sein optimales Schlachtgewicht von 600 Kilo erreicht hat, lag es um 1600 zwischen 100 und 150 Kilogramm. Die wurden allerdings fast vollständig verwertet, während heute nur noch rund 50 % eines Tieres weiterverarbeitet werden.
Nürnberg erhielt sein Fleisch aus den ungarischen Tiefebenen, wo sich jedes Jahr rund 20.000 Rinder auf den Weg machten, um in Norditalien und den süddeutschen Großstädten ihr Leben auf der Schlachtbank zu enden.
Dass sowohl das Rind auf der Fleischbrücke als auch der Ochse über dem Ochsenportal zur Rasse der ungarischen Steppenrinder gehören, sehen wir an ihren mächtigen Hörnern.
Sie alle wurden über die Nürnberger Fleischbrücke getrieben, um am Ende des Wegs über einen kleinen Steg ins Schlachthaus geführt zu werden. Das war direkt über der Pegnitz erbaut, so dass die Metzger alle Abfälle direkt im Fluss entsorgen konnten.
Daneben stand das so genannte Fleischhaus, ein überdachter Fleischmarkt, in dem an 73 Fleischbänken die verschiedenen Metzger ihre Ware anboten. Die Verlosung, wer an welcher Fleischbank verkaufen durfte, fand jedes Jahr in der Mitte der Fastenzeit statt. Im Fleischhaus an der Fleischbrücke verkauften ausschließlich Nürnberger Metzger. Die auswärtigen hatten ein eigenes Fleischhaus rund 300 Meter entfernt.
Die berühmten Nürnberger Bratwürste durften allerdings nur im Fleischhaus an der Fleischbrücke hergestellt und verkauft werden, und das bereits seit dem 15. Jahrhundert. Allerdings bestanden sie nicht aus Rind-, sondern aus Schweinefleisch.
Die Fleischbrücke wurde zur wichtigsten Verkehrsverbindung in der boomenden Stadt Nürnberg. Sie war so solide gebaut, dass nicht einmal die Bombardierung von Nürnberg sie zum Einsturz bringen konnte.
Die Nürnberger des 16. Jahrhunderts waren zurecht stolz auf diese Meisterleistung der Ingenieurskunst, die nur von der Rialtobrücke in Venedig übertroffen wurde.
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