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Ein guter Wanderer hinterlässt keine Spuren

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Vor- und Nachteile der Denkansätze von Ost und West sind relevant für die Bewältigung der Wandlung, die auf uns zukommt – wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art. Wo liegt der Unterschied? Hier ein Versuch, dies mit Laotses Satz «Ein guter Wanderer hinterlässt keine Spuren» darzustellen. 

 

Das östliche Denken verstehen

Laotse, ein chinesischer Weiser, sagte: «Ein guter Wanderer hinterlässt keine Spuren.» Dieser Satz ist zentral, um das östliche Denken besser zu verstehen. In den nächsten fünf Minuten zeige ich Ihnen Unterschiede, Vor- und Nachteile der Denkansätze von Ost und West. Dieser vorher zitierte Satz ist für uns nicht stimmig. Jedes Tier hinterlässt seine Spuren. Keine Spuren zu hinterlassen, nichts Sichtbares aufgebaut zu haben, deutet eher auf einen schwachen Ausdruck hin. Haben Sie das Gefühl, selber Spuren in dieser Welt zu hinterlassen, oder nicht? Sind Sie der Meinung, dass Ihr Vater Spuren hinterlassen hat? Darüber mag man nachdenken.

In der Zeit um 1500 ereignete sich bei uns in Europa etwas ganz Entscheidendes. Nicht nur die moderne Auffassung von Geld, nicht nur die Marktwirtschaft entwickelte sich damals; Lebenswerk, Stiftungen wurden wichtige Wegmarken, Identität, Wesen, Persönlichkeit, das Wort «Ich» wurden Grundpfeiler unserer Kultur. Künstler signieren von jener Zeit an ihre Werke. Wesen ist das Unveränderliche, das sich dadurch vom andern unterscheidet – ein wichtiges Merkmal in unserer Kultur. In der Renaissance wurden diese Werte «wiederentdeckt» oder überhaupt erst entwickelt.

In der östlichen Kultur ist dies anders: Nicht das Sein ist wichtig, sondern der Weg. Nicht die Schöpfung mit einem absoluten Anfang, sondern der kontinuierliche Prozess ohne Anfang und ohne Ende ist bestimmend für das chinesische Denken. Weise als Ideal bist du, wenn du leicht bist wie der Wind oder geschmeidig wie das Wasser. Das Ideal im Westen ist die geformte Persönlichkeit, im Osten dagegen ist es die Auflösung der Persönlichkeit.

 

Ein guter Wanderer hinterlässt keine Spuren

Dem Wandel in der Zukunft begegnen

Ich habe mich gefragt, ob der östliche Weg ein Vorteil ist. Oder konkreter die Frage, ob der Osten besser gewappnet ist für den Wandel, der in der Zukunft unweigerlich auf uns zukommt. In den letzten 500 Jahren war der europäische Weg, mit der Entwicklung der Marktwirtschaft, zweifellos im Vorteil. Globalisierung breitete sich von Europa über die USA auf die ganze Welt aus. China schottette sich zu lange von diesen Entwicklungen ab. Um 1800 war China noch die grösste Wirtschaftsmacht der Welt, um 1900 war es vom Westen dominiert. Aber der Osten hat gelernt und für die Zukunft scheint der östliche Denkansatz sehr interessant zu sein. Wenn zwei grosse, ganz unterschiedliche Denktraditionen aufeinandertreffen und sich gegenseitig beeinflussen, dann kann Neues entstehen. Zum Beispiel als die griechische Kultur durch die Expansion unter Alexander dem Grossen mit dem Buddhismus in Berührung kam, in Gandhara. Der Gandhara-Stil ist gekennzeichnet durch klassisch griechische Elemente und streng buddhistische Kunst. Oder als die antike persische Welt mit den Griechen in Berührung kam; damals entstand das standardisierte Münzsystem basierend auf Gold und Silber, das bis ins 20. Jahrhundert Bestand hatte, in Lydien, an der Schnittstelle zwischen den beiden Kulturkreisen.

In unserer westlichen, geldorientierten Gesellschaft führt die gegenseitige Beeinflussung zu einem Umdenken; sie führt zu einem verstärkten Fokus auf die Wandlungsfähigkeit, indem die Veränderung begrüsst und aktiv angegangen wird, indem weniger das Erreichte gepflegt und in den Vordergrund gestellt wird. Ein Beispiel ist der Unternehmer. Der Unternehmer ist jemand, der Risiko im Wirtschaftsleben auf sich nimmt, er baut auf. Er reagiert (flexibel) auf neue Entwicklungen, er baut sich keine Denkmäler. Ich erinnere mich an ein Interview eines bekannten Fernsehjournalisten mit Peter Spuhler, einem erfolgreichen Unternehmer mit Standort Schweiz. Es ging um die Konsequenz des festen Schweizerfrankens, um die negativen Folgen für die Produktionskosten in  der Schweiz. Aus den Antworten des Unternehmers wurde klar, dass dieser sich weniger mit Prognosen beschäftigt als vielmehr aktiv auf die Wandlung reagiert. Er lotet pragmatisch seine Möglichkeiten aus. In diesem Sinne hinterlässt er als Wanderer keine Spuren, weil er mit der Veränderung Schritt hält.

Ein Blick auf das globale Wachstum der letzten 10 Jahre zeigt deutlich, dass der östliche Weg bei der Bewältigung von Wandlung heute im Vorteil liegt. 1997 erlebte der Osten eine schwere Finanzkrise, aus der die Gegend gelernt, sich gewandelt hat. 2008 hat der Osten die globale Finanzkrise, obwohl mit den übrigen Wirtschaften stark vernetzt, gut überstanden. Ein Zurückziehen aus einer stark vernetzten Welt, wie man es unter anderem in der Schweiz feststellen kann (Limitierung der Einwanderung, Festhalten an Mythen) und sogar in China selber, wird erfolglos sein. Wenn die einzigen Spuren Bremsspuren sind, dann wird sich das China-Schicksal wiederholen.

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