Geld und Macht III: Staat
Die Normalität, die für uns der Umgang mit Geld darstellt, überdeckt den Zwangscharakter dieser Veranstaltung. Mit ihr sind wir gezwungen dazu, von Geld zu leben, und das heisst viel. Es zwingt uns unter anderem dazu, gegen andere anzutreten und mit ihnen um das Geld zu konkurrieren, von dem wir und sie leben müssen. Es zwingt uns unablässig in den Interessenkonflikt zwischen jeweils demjenigen, der nicht umhin kann, möglichst wenig zahlen zu wollen, und demjenigen, der nicht umhin kann zu wollen, dass ihm möglichst viel gezahlt wird. Es zwingt diejenigen zu verhungern, die nicht das Geld zum Überleben haben, zwingt diejenigen ins Elend, denen das Geld zu etwas Besserem fehlt. Und es zwingt alle dazu, mit der Welt auf eine Weise umzugehen, dass möglichst viel Geld dabei herausspringt: durch Verseuchung der Böden, Abholzung des Regenwaldes, Leerfischen der Meere, Ausbeutung von Menschen, Zerrüttung der Lebensverhältnisse.
Der Zwang zum Geld geht vom Staat aus
Das Geld gibt die Logik dieser Zwänge vor, aber es kann sie nicht durchsetzen, es kann sie nicht unmittelbar selbst ausüben. Keine Münze, keine Banknote, keine Zahl auf einem Konto kann uns von sich aus dazu zwingen, sie als Geld zu verwenden und mit ihr der Geldlogik zu folgen. Es sind Staaten, von denen der Zwang dazu ergeht, die modernen Nationalstaaten, die sich überhaupt erst mit dem Aufkommen der neuzeitlichen Geldwirtschaft in dieser Form herausgebildet haben, eben deshalb: weil diese Art Wirtschaft genau diese Art von Staat erfordert. In ihren Verfassungen haben sie die Verpflichtung auf Marktwirtschaft und Geldherrschaft verankert. Staaten sind es, die das Geld in Gestalt ihrer Nationalwährungen herausgeben, und bewehren es mit der Gewalt, über die sie als Monopol gegenüber ihren Bürgern verfügen. Wo sich ein Einzelner nicht an die Zwänge des Kaufens hält, wird ihm ihre Polizei weisen, wie zwingend sie einzuhalten sind. Und wo sich ein anderer Staat ihren Geld‑ und Wirtschaftsinteressen nicht fügt, werden ihre Militärs und andere robuste Dienste dort für eine Regierung sorgen, die es tut.
Die Einmischung der Staaten in ihre Wirtschaft
Das betreiben Staaten im eigenen Interesse, denn das Staatsinteresse ist in dieser Hinsicht identisch ist mit dem ihrer Wirtschaft. Kein kapitalistischer Staat steht seiner Wirtschaft als Gegenmacht gegenüber und liesse sich als eine solche Gegenmacht gegen seine Wirtschaft ins Feld führen. Seine Einmischung in die Vorgänge dieser Wirtschaft gilt hauptsächlich dem Versuch, sie zu befördern. Wo er versucht, sie im Gegenteil zu zügeln, geht es stets nur ums Notwendigste, das es braucht, um die Konflikte und Zerstörungen, die diese Wirtschaft erzwingt, in einer Form zu halten, die ihr nicht letztlich selbst zusetzt. Denn der moderne Staat will und muss sie erhalten: Er erhält sich selbst durch Geld – Geld, das ihm «seine» Wirtschaft einbringt. Er ist ihr oberster Lobbyist. Staaten sind die Agenturen des Geldes.