Tätigsein
Im Rahmen von Geld:kritisch der Sunflower Foundation spielt die Arbeits- und Organisationspsychologie, die Psychologie generell, eine wichtige Rolle. Wer von Geld spricht, spricht von Leistung. Wenn wir tätig sind, erbringen wir Leistung – ob bezahlt oder unbezahlt. Hier werden die drei Aspekte Arbeiten (was im alten Griechenland den Sklaven überlassen wurde), Herstellen (z.B. eines Produktes) und Handeln (was der Tätigkeit den Sinn gibt) unterschieden. Dieser letzte Bereich, d.h. wie der Mensch seine Tätigkeit ausübt, welche Umweltsbedingungen er dazu vorfindet, dies formt ihn zu einer Persönlichkeit, verleiht ihm Identität. Dies ist der Grundgedanke der Tätigkeitstheorie.
Vom Sinn des Tätigseins
Prof. Wehner untersuchte in seiner Lehrtätigkeit viele Tätigkeiten in der Arbeitswelt, bei Hobbys und in der gemeinnützigen Welt und kommt zum Schluss, dass es in der Arbeitswelt vielen nicht mehr gelingt, den Sinn der Arbeit zu erkennen, den Tätigkeiten Sinn zuzuschreiben. Umgekehrt verhält es sich beim Hobby, wo ich mich von meiner Leidenschaft leiten lasse. Ebenso gelingt es in der gemeinnützigen Arbeit, Sinn zu generieren. Die grosse Frage ist, ob die Motive, die bei der unbezahlten gemeinnützigen Arbeit zur Sinngenerierung führen, übertragen werden können auf die bezahlte Erwerbsarbeit. Inwiefern können oder müssten die Rahmenbedingungen der letzteren verändert werden, damit Sinngenerierung auch bei der bezahlten Erwerbsarbeit wieder an oberster Stelle steht?
«In der Arbeitstätigkeit wird nicht nur ein bestimmtes Produkt der Arbeit des Subjekts erzeugt, sondern das Subjekt selbst wird in der Arbeit geformt.»
Drei Formen des Tätigsein nach Hannah Arendt
Ich will in den nächsten 7 Minuten versuchen, das Tätigsein etwas näher zu beschreiben als die Überkategorie für das, was wir Arbeitstätigkeit, Hausarbeit, Hobby nennen.
Es beginnt mit einem Buch, das ich als junger Student gelesen habe, Hannah Arendt «Vom tätigen Leben»; ein Buch, in dem sie versucht, drei Formen des Tätigseins zu beschreiben. Sie fragt sich ganz konkret: was tun wir eigentlich, wenn wir tätig sind? Und sie sagt: Wir «arbeiten» – das ist das Bereitstellen des Notwendigen im Alltag. Das ist sicher ein großer Teil, in der griechischen Antike wurde dieser nicht von den Bürgern, sondern von den Sklaven verrichtet. Heute machen wir das gottseidank selbst.
Die zweite Kategorie nennt sich «Herstellen». Es ist das Schaffen einer künstlichen, beständigen Welt gegen das biologisch Vergängliche. So könnte man diese Kategorie «Herstellen» nennen.
Die dritte Kategorie, so sagt Hannah Arendt, ist die dem Menschen würdigste. Es ist das «Handeln», und zwar in der sich der Mensch jenseits des Notwendigen und des Nützlichen als Mensch selbst begegnet und auch anderen begegnet.
Diese drei Formen sind durch die kulturhistorische Schule immer wieder ausformuliert worden. «Leben ist ein System einander ablösender Tätigkeiten», so hat es Leontjew genannt, und in der kulturhistorischen Schule untersuchen wir das Zusammenwirken von Subjekt und Objekt oder Umwelt, indem wir nicht nur das Subjekt versuchen zu verstehen oder uns nur dem Objekt, dem Produkt zuwenden, sondern indem wir das Tätigsein untersuchen.
Das hat den Hintergrund, dass die kulturhistorische Schule und heute sehr viele psychologische Theorien davon ausgehen, dass das was der Mensch durch sein Tätigsein herstellt, nicht nur einfach ein Produkt hinterlässt, sondern die Art und Weise wie er das herstellt, die Arbeitsbedingungen die er vorfindet, die verändern ihn und bilden ihn zu einer Persönlichkeit, zu einer Identität.
Das ist der Grundgedanke der Tätigkeitstheorie, in der man von drei großen Gebieten spricht, nämlich einerseits der Tätigkeit selbst, dort sind die Motive, die mich als Wissenschaftler zum Beispiel antreiben Erkenntnis zu gewinnen. Die Motive des Tätigseins müssen aber dem einzelnen Subjekt gar nicht wirklich bekannt sein und es braucht unter Umständen sehr viel methodisches Geschick herauszufinden, warum ein Arzt Arzt, warum ein Richter Richter ist, also Motive, die uns bewusst nicht immer zugänglich sind.
Die zweite Form ist die der «Handlung», der Zielerreichung; dort realisieren wir als Wissenschaftler: Ich will ein Buch schreiben, ich will eine Vorlesung vorbereiten, welche Handlungen sind dafür notwendig, welche Ziele verfolge ich mit dieser Vorlesung, mit diesem Buch. Und dann kommt die Operationsseite, also die «Operationen», die notwendig sind, um diese Ziele zu erreichen und Schritt für Schritt zu recherchieren, zu schreiben, Korrektur zu lesen etc.
Sinngenerierung und Motive
Das sind die drei Analyseeinheiten, die man in der Arbeitspsychologie hat, und die kann man sich anschauen im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit, im Hinblick auf ein Hobby, im Hinblick auf gemeinnützige Tätigkeit, und feststellen welche Motive leiten jemanden in seiner Berufstätigkeit und welche Motive leiten jemanden in seinem Hobby oder in seiner gemeinnützigen Tätigkeit.
Das was wir festgestellt haben als Arbeits- und Organisationspsychologen in über zwölf Jahren Forschung im Bereich der Arbeitspsychologie natürlich der klassischen Arbeitspsychologie gemacht also an Erwerbsarbeitsplätzen aber auch sehr intensiv an frei gemeinnützigen Tätigkeiten.
Was wir feststellen: in der Erwerbsarbeit gelingt es heute vielen nicht mehr, den Sinn in der Arbeit zu erkennen, den Sinn zu generieren, denn Sinn ist etwas äußerst Subjektives. Der Sinn liegt nicht in der Tätigkeit selbst, sondern wir sind es, die den Tätigkeiten Sinn zuschreiben können oder eben nicht, und selbst wenn ich das nicht kann, ist es eine Form von misslungener Sinngenerierung.
Das haben wir in der Arbeitstätigkeit häufig gesehen und auch in vielen Interviews gehört. Ganz umgekehrt verhält sich das im persönlichen Hobby. Dort tue ich ja etwas, was ich aus Leidenschaft tue, was nicht unbedingt ein Produkt hinterlassen muss außer eben der Freude an dem, was ich da tue. Aber auch in der gemeinnützigen Tätigkeit stellen wir fest, dass es den Bürgerinnen und Bürgern, die freiwilligen Arbeit verrichten, in hohem Maße gelingt, dort Sinn zu generieren.
Als Arbeits- und Organisationspsychologen war es für uns wichtig dieses Feld anzuschauen, also die unbezahlte Arbeit, um zu sehen welche Motive sind dort leitend und in wie weit könnten wir die bezahlte Arbeit, die Erwerbsarbeit so verändern, dass auch dort Sinngenerierung an oberster Stelle steht.
Der Sinn liegt nicht in der Tätigkeit selbst, sondern wir sind es, die den Tätigkeiten Sinn zuschreiben können oder eben nicht.