Umgang mit Unsicherheit in der Medizin
- Zwischen dem Finanzmarkt und der Medizin gibt es in Bezug auf den Umgang mit Unsicherheit interessant Parallelen. Hier einige Gedanken zu einem alltäglichen Problem aus der medizinischen Praxis.
- Prof. Dr. med. Lucas Bachmann ist CEO von medignition AG, tätig in der Medizinische Forschung und IT-Lösungen für den Gesundheitsbereich.
- Beratung: Forschung ist der Motor für Innovationen in der Medizin. Medignition berät Institutionen und einzelne Forschende in der Planung, Finanzierung, Umsetzung und Verwertung von wissenschaftlichen Projekten.
- Akademie: Medignition ist Sparringpartner von aufstrebenden klinischen Fachkräften und Leistungsträgern im Gesundheitswesen, die ihre akademische und wissenschaftliche Entwicklung effizient vorantreiben wollen.
- Auftragsforschung: Im Auftragsverhältnis führen wissenschaftliche Mitarbeiter der medignition AG selbstständig klinische Forschungsprojekte durch.
Umgang mit Wissen im Gesundheitswesen: eine Aufgabe von medignition AG
Mein Name ist Lucas Bachmann, ich bin Gründer und CEO der medignition AG. Wir beschäftigen uns mit der Entstehung, Interpretation und Überprüfung von Wissen im Gesundheitswesen. Wir helfen bei der Erforschung der Wirksamkeit neuer Medikamente und dem Nutzen neuer diagnostischer Tests. Wir unterstützen aber auch die Veröffentlichung von medizinischem Wissen und entwickeln Lernprogramme zur Überprüfung von Wissen. In den nächsten fünf Minuten informiere ich Sie über zwei Sachen: Ursachen der Unsicherheit in der Medizin und was sie für Arzt und Patient bedeuten.
Der Wunsch des Leidenden ist die rasche Linderung von Symptomen und Zeichen des Leidens. Der Besuch beim Arzt führt in der Regel zu einer Form von Abklärung: ärztliche Untersuchung, Bluttests, Ultraschalluntersuchung oder vielleicht ein Röntgenbild. Der Arzt beabsichtigt damit, das Leiden des Patienten einer oder mehrerer möglichen Erkrankungen zuzuordnen. Basierend auf der wahrscheinlichsten, seltener aber auch basierend auf der schwerwiegendsten möglichen zugrundeliegenden Erkrankung empfiehlt der Arzt dem Leidenden eine Behandlung. Zu diesem Zeitpunkt entsteht etwas ganz Besonderes zwischen Arzt und Patient, nämlich eine Form von Pakt betreffend des sicheren Vorhandenseins der Erkrankung.
Wie wahrscheinlich oder empirisch gesichert ist das Auftreten einer Erkrankung?
Dieser Übergang vom wahrscheinlichen zum sicheren Vorhandensein der Erkrankung ist der Kern vieler Probleme und Missverständnisse in der Medizin. Viele Ärzte sind überrascht, wie gering empirisch ermittelt die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Erkrankung tatsächlich ist, die sie als «sicher vorhanden» beurteilen. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung bei Hausärzten zum Thema «Antibiotika bei Lungenentzündung» beispielsweise ergab, dass Ärzte aufgrund ihres klinischen Gespürs die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins einer Lungenentzündung teilweise massiv überschätzen. Über die Gründe dieser Falschschätzung kann nur spekuliert werden. Einige vermuten dahinter, dass die Rolle des Arztes gegenüber dem Patienten dazu führt, Unsicherheit auszuschliessen. Eine 35-prozentige Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer Lungenentzündung wird dann zu einem sicheren Ereignis. Kognitive Psychologen vermuten dahinter andere spannende Prozesse. In verschiedenen Untersuchungen bei Patienten und Ärzten zeigten sie auf, dass uns beim Umgang mit Wahrscheinlichkeiten erstaunlich viele Fehler unterlaufen. Die Fehlerhäufigkeit ist dabei sogar unabhängig von der Schulbildung. In schwierigen Entscheidungssituationen verlassen wir uns häufig – zum Teil zu Recht – auf unser Bauchgefühl.
Experiment: wirksames Medikament versus Scheinmedikament
Fehler entstehen aber auch bei der Behandlung von Erkrankungen: In einem kontrollierten Experiment erhalten 100 Erkrankte das wirksame Medikament und 100 ein Scheinmedikament. Nach 10 Tagen wird gemessen, wie viele in den beiden Gruppen wieder gesund sind: 50 in der Medikamentengruppe und 30 in der Kontrollgruppe. Daraus ermittelt sich, dass ein Hausarzt, der dieses Medikament verschreibt, 5 Patienten behandeln muss, um bei einem einen spezifischen Medikamenteneffekt zu beobachten. Die Wahrnehmung des Patienten und des Arztes ist aber eine ganz andere. Beide gehen davon aus, dass ein richtig gewähltes Medikament sicher wirkt.
Die moderne Medizin ist eine auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fussende Medizin. Wissenschaftliche Ergebnisse werden aber immer in Wahrscheinlichkeiten angegeben, in einer Form also, die sich dem Arzt und dem Patienten nicht ohne weiteres eröffnet. Ein häufig gewählter Ausweg aus diesem Dilemma ist dessen Vermeidung. Aus Unsicherheiten werden sichere Ereignisse mit allen möglichen Konsequenzen: Enttäuschungen, Fehlbehandlungen und vielleicht fatalen Folgen. Welcher Weg führt hier heraus? Es braucht eine neuartige Übersetzungsleistung von medizinischer Information und es braucht Schulung sowohl von Ärzten als auch Patienten. Einige Schritte in diese Richtung sind schon getan. Forscher entwickeln neue, intuitiv verständliche Darstellungsformen von Wahrscheinlichkeiten. Informationstechnologische Lösungen werden aktuell entwickelt und sind schon bald auf mobilen Geräten verfügbar. Ziel jeder Anstrengung muss sein, dass sich Arzt und Patient in der Entscheidungssituation auf Augenhöhe begegnen können. Ein guter Umgang mit medizinischem Wissen ist dessen kritisches Hinterfragen.
In den vergangenen Minuten habe ich Sie auf Probleme im Umgang mit Unsicherheit in der Medizin hingewiesen und gezeigt, dass zur Lösung dieser Probleme sowohl der Arzt als auch der Patient gefordert sind sich selbstverantwortlich weiterzubilden. In weiteren Videos werde ich Ihnen Lösungen zeigen, die von medignition in diesem Zusammenhang erarbeitet wurden.
IT-Lösungen im medizinischen Bereich
Hier einige Beispiele von interessanten IT-Lösungen im medizinischen Bereich, die von medignition, Zürich, entwickelt wurden:
Hippokratest ist ein Selbstbeurteilungs-Instrument für Ärztinnen und Ärzte der Inneren und Allgemeinmedizin. Hier eine 5-Minuten-Einführung.
Ein 2-Minuten-Video zum Hippokratest für Studierende im medizinischen Bereich, dazu gibt es eine App für iPhone und Android:
Tool: Kompetenzen erkennen und Karriere planen
Bei Profilium geht es um Kompetenzen erkennen und Karriere planen. Es ist ein Online-Fragebogen zur Selbsteinschätzung für Fachangestellte in der Gesundheit, kann aber auch auf andere Gebiete appliziert werden. Hier eine 2-Minuten-Einführung. PROFILIUM hilft Fachpersonen Gesundheit nach der Ausbildung Fragen zu beantworten, wie:
- Wo stehe ich in meinem Beruf?
- Wie kann ich mich weiterentwickeln?
- Wie schätze ich meine Kompetenzen ein?
Zusammenarbeit auf Projektbasis mit Prof. Dr. med. Gerd Gigerenzer in Berlin, Direktor des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung. 2009 wurde das Harding-Zentrum für Risikokompetenz am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung eröffnet. Im Fokus der dortigen Forschung steht die Vision des mündigen Bürgers, der mit den Risiken einer modernen technologischen Welt informiert umzugehen versteht.
Angaben zu den IT-Lösungen finden Sie auf der homepage von medignition AG.