Geld und Macht II: Verfügungsgewalt
Die Dinge, die man zum Leben braucht oder sich zum Leben wünscht, kaufen wir mit Geld. Sie kosten Geld, also haben wir Geld für sie zu zahlen. Sie sind das Geld wert, das wir für sie bezahlen, und wir zahlen dieses Geld für sie, weil sie es wert sind, weil es ihr Wert ist. Geld also ist der Wert der Dinge und deshalb müssen wir Geld für sie bezahlen. So scheint es. Aber so ist es nicht.
Vom Zwang etwas zu verkaufen
Seinen Wert fordert niemals das Ding selbst ein, das wir bezahlen müssen. Nichts, was wir bezahlen müssen, fordert von sich aus die Bezahlung. Sondern Menschen fordern sie, ausnahmslos und immer nur Menschen. Wir bezahlen Menschen für etwas, das wir von ihnen bekommen, wir bezahlen nie dies etwas selbst. Menschen fordern Geld für etwas – und in unserer geldvermittelten Gesellschaft müssen sie es fordern. Sie sind gezwungen an Geld zu kommen, um mit diesem Geld erst an all jene Dinge zu kommen, die sie zum Leben brauchen oder sich in ihrem Leben wünschen. Denn für all das fordern wiederum andere, auf dieselbe Weise gezwungen, Geld.
So ist jeder – und zwar durchaus auf Leben und Tod – gezwungen, selbst etwas zu verkaufen: um dafür Geld fordern zu können. Denn nur so kommt er zu dem Geld, das er zum Leben braucht. Er wie jeder andere bekommt Geld selbst nur von anderen Menschen, von jenen anderen, die ihn bezahlen für das, was sie ihm abkaufen mögen. Er muss sich darüber freuen, wenn sie ihm etwas abkaufen, aber dies ausschliesslich deshalb, weil er auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, weil er dazu gezwungen ist.
Geld ist Verfügungsmacht
Die Herrschaft des Geldes wirft weltweit über jeden Einzelnen den Zwang, etwas zu verkaufen, um etwas kaufen zu können. Wer über genug Besitz verfügt, könnte ein Leben lang davon leben, ihn Stück für Stück zu verkaufen: um diejenigen, die dafür bezahlen, darüber verfügen zu lassen. Doch das ist unter der Herrschaft des Geldes der seltenste Fall. Hier gibt es mehr oder weniger nur zwei Möglichkeiten. Die erste und häufigste ist die, dass ein Mensch sich verkauft: wenn schon nicht als Person – da wäre er Sklave –, so doch mit dem, was er zu tun vermag. Das heisst, er arbeitet für Geld, das andere ihm bezahlen. Er lässt sie über sich, über das, was er tut und leistet, verfügen und er muss sie darüber verfügen lassen, um an das zu kommen, wovon er immerhin leben muss. Die andere Möglichkeit ist es, eben solche Menschen für ihre Arbeit zu bezahlen, um über sie und damit über das zu verfügen, was sie leisten, um das wiederum verkaufen zu können. Wenn es aber verkauft wird, verwandelt sich das Geleistete und Erarbeitete erneut in Geld, in das Mittel, um erneut über das zu verfügen, Dinge oder Dienste, was andere tun und leisten und erarbeiten. Geld ist und bleibt Verfügungsmacht über die Arbeit anderer.