Geld und Material I: Archaische Zahlungsmittel
Wo liegt der Ursprung des Geldes?
Es ist nicht alles Geld, womit man etwas kauft. Genauer: Womit man etwas kauft, es war nicht schon immer Geld. Es waren Dinge, die man im Tausch für andere Dinge gab; und auch falls sie in gemünztem Metall bestanden, sie waren nicht deshalb schon Geld.
Das ist eine historische Tatsache, der bis heute kaum jemand nachgefragt geschweige denn nachgeforscht hat und der unsere Überzeugungen entschieden widersprechen. Fast alle nehmen wir heute an, jeder Kauf und jeder Handel wäre, egal, in welcher Epoche, mit Geld vollzogen worden. Zumindest, so nehmen wir an, hätte man alles nach einem Wert getauscht und gehandelt, den die Menschen den Dingen zuschrieben und der irgendwann besser in Geld bemessen worden wäre als in diesen Dingen selbst – und so wäre es zu Geld gekommen: zu Geld als einer Form von Wert. Tatsächlich ist Geld nicht von Wert zu trennen. Genau das aber zwingt zu der Erkenntnis, dass es in historischen Zeiten bis hinauf ins europäische Mittelalter nicht Geld war, womit man kaufte: da es so lange nachweislich nirgends und in keinem Fall die Vorstellung eines Wertes oder Tauschwertes gab.
Wechselseitige Verpflichtungen
Zahlungen sind bis dahin Teil jenes archaischen Zusammenlebens von Menschen, das – vor dem Aufkommen von Geld – auf ihren wechselseitigen Verpflichtungen innerhalb eines Gemeinwesens beruht. Eine jede Zahlung, auch wenn sie für eine gekaufte Ware zu leisten ist, leistet Ausgleich für eine Schuld oder erfüllt eine Schuldigkeit. Die Schuld kann in einer Untat bestehen. Wenn ein Mann aus der eigenen Sippe einen Mann aus einer anderen erschlagen hat, ist Blutrache dafür ein Ausgleich oder die Zahlung im archaischen Sinn: Die Sippe des Getöteten tötet ihrerseits einen Mann aus der Sippe des Schuldigen und damit ist die Schuld aufgehoben. Aber der Ausgleich kann auch erfolgen, indem der geschädigten Sippe entsprechende Gaben überreicht und „gezahlt“ werden. Mit deren ritueller Überreichung ist die Schuld ebenso ausgeglichen wie durch die tödliche Rache.
Verschiedene Dinge als archaische Zahlung
Statt in einer belastenden Schuld kann die Schuldigkeit jedoch auch in einer positiven Verpflichtung bestehen. Die Dinge, die dann jeweils zu zahlen sind, gelten als Gegenleistung zum Beispiel für erwiesene oder für erhoffte Hilfe, bei einer Heirat für die Überlassung der Frau oder unzähliges Anderes. Welche Art von Dingen dabei als Zahlung zu überreichen sind, war je nach Gelegenheit sehr genau festgelegt. Und so werden diese Dinge, Kauri-Schneckenhäuser oder Tukula-Paste, die Federn des Honigfresservogels oder Schweine und Schafe, zu Zahlungsmitteln – zu archaischen Zahlungsmitteln. In keinem Fall aber werden sie dadurch schon zu Geld.