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Geld, das Ding ohne Eigenschaften

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Eske Bockelmann spricht zu «Geld, das Ding ohne Eigenschaften»

Geld ist real und irreal zugleich

Geld ist so real, wie etwas nur real sein kann. Zugleich aber ist es irreal, eine nur imaginäre Größe, etwas, das wir uns nur denken – etwas, das wir uns zwar denken müssen, das aber sonst in gar nichts Realem besteht. Das scheint ein Widerspruch, das scheint unmöglich zu sein. Aber es ist nicht nur möglich, sondern es gehört zum Kern des Geldes – und es ist außerordentlich wichtig, das zu erkennen.

Bei jedem Kauf und Verkauf, bei allem, was seinen Preis hat, bei allem, wofür eine Zahlung anfällt, müssen wir in Geld denken. Denn wir müssen dabei ja den Wert mitdenken, um den es geht, das, was da ein Apfel kostet, das, was wir mit unserer Arbeit verdienen, was damit gemeint ist, wenn auf einem Schildchen 29,90 steht. Natürlich, jedesmal haben wir es dabei mit einer bestimmten Menge zu tun, es geht immer darum, wie viel da etwas kostet oder einbringt. Geld und Geldwert treten immer in einer bestimmten Menge auf, als bestimmte Zahl, als Quantum. Aber: als Quantum wovon? Antwort: von Wert. Wert als Quantum von Wert – Sie hören, das sagt irgendwie gar nichts. Doch das hat seinen Grund. Denn der Wert, in dem wir da denken müssen, besteht auch nicht in Etwas: Es gibt ihn nur als etwas Gedachtes. Wir denken Wert als Wert – und darin besteht er. Er ist in einem eminenten Sinn Geschöpf unseres Denkens, geformt in unserem Denken. 

Wir müssen Wert denken

Selbstverständlich denken wir uns da nichts X‑Beliebiges aus, bloß weil es uns gerade so passt. Nein, wir müssen Wert denken und es ist uns zwingend vorgegeben, wie wir ihn denken müssen. Wenn wir in einen Laden gehen, wissen wir, dass wir hier diese Packung Nudeln nicht einfach so mitnehmen können, weil vielleicht der Verkäufer gerade so freundlich lächelt. Nein, wir wissen, wir müssen die Packung kaufen, das ist Vorschrift, das ist Gesetz, darüber wachen mächtige Instanzen. Wir wissen, die Packung Nudeln ist – wie so vieles andere – zu bezahlen, sie hat einen Wert, der zu zahlen ist, wenn wir sie mitnehmen wollen. Und wir wissen, dass wir im Geld, das wir hoffentlich dabei haben, über eben diesen Wert, der da zu zahlen ist, verfügen. Auf beiden Seiten, in der Packung Nudeln und in der entsprechenden Menge Geld „wissen“ wir also Wert, in beiden müssen wir Wert denken: auf beiden Seiten als die gleiche Einheit – eine Einheit, die sonst in nichts besteht: in nichts als dieser Brauchbarkeit für eine solche Art von Tausch, für den Kauf und Verkauf.

 

Eske Bockelmann: Wir müssen Wert denken

Wert ist ein Quantum ohne Eigenschaften

Insofern ist Wert natürlich etwas, und zwar etwas sehr Mächtiges, aber er selbst besteht in – nichts. Und nun die Frage: Was also haben wir da zu denken, wenn wir diesen Wert denken, Geldwert, Tauschwert? Was hat unser Denken da zu leisten, was hat es da zu formen? Seltsamerweise ein Quantum von etwas, das als Etwas gar nicht zu greifen ist. Wert hat keine Gestalt, ist nicht rund, nicht breit, nicht lang, ist überhaupt nicht sichtbar, klingt nicht, schmeckt nach nichts, lässt sich nicht berühren, Wert hat keinerlei Eigenschaften. Er ist in keiner Weise irgendwie bestimmt und bestimmbar außer darin, ein Quantum zu sein. Und das bedeutet, er ist gar kein Quantum von etwas, sondern reines Quantum, ein Quantum rein nur für sich. Und so, in dieser Form müssen wir ihn also denken. Und nun, sehr wichtig: So können wir ihn offenbar denken! Unser Denken ist offensichtlich ohne weiteres in der Lage, ein Etwas ohne jede qualitative Bestimmung, ohne den Hauch einer Eigenschaft zu formen.

 

Eske Bockelmann: Alles auf der Welt kann als Wert gedacht werden

Alles auf der Welt kann als Wert gedacht werden

Das ist schon etwas sehr Besonderes. Denn bedenken Sie: Nichts sonst auf der Welt fordert unserem Denken etwas Derartiges ab. Alles sonst auf der Welt hat ja seine Eigenschaften, seine Qualitäten, seinen Inhalt – nur der Geldwert nicht. Mit diesem Wert wird unserem Denken also etwas durchaus Besonderes abverlangt. Nur wird es ihm eben alltäglich abverlangt, jeden Tag, und jeden Tag viele, viele Male. Also muss es für unser Denken etwas sehr Geläufiges geworden sein, ebenso einfach wie eben unwillkürlich.

Aber es geht ja noch weiter mit den Seltsamkeiten. Also: Wir lesen zum Beispiel auf dem Kontoauszug die Zahl, die besagt, wie viel wir auf dem Konto liegen haben, und stellen uns da aber nichts vor, was herumliegt, keine Münzen, keine Barren. Wir denken uns diese Zahl nicht als Anzahl von so und so vielen Dingen, von so und so vielen Äpfeln oder Birnen, sondern wir denken diese Zahl nur als Zahl, als eine für sich bestehende Zahl. Aber: Diese Zahl denken wir uns zugleich verbunden mit der Möglichkeit, z. B. eine bestimmte Anzahl Äpfel oder Birnen mit ihr zu kaufen. Und wenn wir uns einmal umgekehrt klar machen: Auch in den Äpfeln und Birnen sehen wir Wert, den Tauschwert, um den sie zu kaufen sind, im Tausch gegen den gleichen Wert in Geld. Auch in Äpfeln und Birnen sehen wir zugleich also eine solche Zahl, eine Zahl nur für sich. Und nicht nur in Äpfeln und Birnen, sondern in allem, was sich kaufen lässt, in jeder Ware – also in allem, was doch seine Eigenschaften hat. Alles auf der Welt, mit all seinem vielfäligen Inhalt, mit all seinen Qualitäten, können wir zugleich als Wert denken: als etwas Qualitätsloses, als reines Quantum – und zwar durch Geld: dadurch, dass Geld dafür zu zahlen ist, dadurch, dass wir es in unserem Denken also auf Geld beziehen. Jedes nur denkbare inhaltliche Etwas denken wir auf diese Weise als sein völliges Gegenteil: nicht-inhaltlich.

Zwei kurze Beispiele. Ein Erdbeben, vieles ist beschädigt, vieles zerstört, und da heißt es: Schätzungen zufolge belaufen sich die Schäden auf – und es folgt eine Zahl für all das viele Einzelne, was da Schaden genommen hat. Auch wenn von diesem Vielen gar nicht alles wirklich bezahlt oder mittels Geld wiederhergestellt wird, es ist diese Zahl, in der wir all das Verschiedene unterschiedslos zusammenfassen – eigenschaftslos. Gut, aber dabei geht es immerhin noch zu großen Teilen um Geld, aber das muss nicht sein. Sie kennen alle die menschenfreundliche Einstellung, die besagt: Jeder hat so seine Begabung, der eine kann besser singen, der andere dafür besser Ordnung halten, der eine dies, der andere dafür das. Und was einem an der einen Stelle fehlt, das macht man durch etwas an anderer Stelle wett. Die Vorstellung dabei: In der Summe gleichen sich Stärken und Schwächen aus, ergeben sie ein Maß. Das ist freundlich gedacht, ja; aber auch in der Form, die Eigenheiten eines jeden nicht für sich anzuerkennen, eben als Eigenheiten, sondern weil sie insgesamt gleich viel gelten, als gedachtes gleiches Quantum.

So also denken wir die Vielfalt der Dinge, die Vielfalt, auf die wir in dieser Welt stoßen, zugleich als diese besondere Art Einheit.

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