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Deutschland nach Gomorrha: Symbolik der Eiche auf den Fünfzigpfennigstücken im Nachkriegsdeutschland der Phase des Wiederaufbaus

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Als Deutschland in Schutt und Asche lag, da brauchte es neue Symbole für einen Wiederanfang. Der große Eichenbaum wurde zum kleinen Eichentrieb in den Händen einer schwangeren Frau.

 

Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt im zerstörten Deutschland der Nachkriegszeit. Wir befinden uns im Jahr 1950.

 

Nach dem Sieg der Alliierten von 1945 war Deutschland eine Trümmerlandschaft. Das feindliche Flächenbombardement hatte alle größeren deutschen Städte fast völlig zerstört.

 

Die Operation Gomorrha hatte rund 35.000 Hamburger das Leben gekostet. In Pforzheim war innerhalb von 22 Minuten ein Drittel der 65.000 Einwohner gestorben.

 

Insgesamt gab es rund eine halbe Million ziviler Todesopfer. Und noch viel mehr Menschen waren verletzt oder obdachlos.

 

Die Bomben, die Niederlage und die anschließende Besatzung hatten das Selbstverständnis eines Volkes völlig verändert. Hatten die Nazis den deutschen Übermenschen propagiert, fühlten die gedemütigten Besiegten nur noch Hunger, Kälte, Angst.

 

Und doch ging das Leben weiter. Rund 400 Millionen Kubikmeter Schutt mussten beseitigt werden. Eingesetzt wurden dafür vor allem Frauen. Man nennt sie die Trümmerfrauen. Sie sind als Symbol des Wiederaufbaus in die deutsche Geschichte eingegangen.

 

Es kam die Währungsreform. Und mit der Währungsreform kam die Hoffnung, die Hoffnung auf einen neuen Anfang.

 

All die Hoffnung, die damals in Deutschland wieder aufblühte, kristallisiert sich in dieser kleinen Münze, in dem deutschen 50 Pfennig Stück. Der Bildhauer Richard Martin Werner hatte die Vorlage geliefert. Er bildete seine damals schwangere Frau ab. Sie kniet und erinnert mit ihrer Kleidung an die unzähligen Trümmerfrauen, die Deutschland vom Schutt befreiten. Die Kniende hält allerdings keinen Ziegelstein in der Hand, sondern einen kleinen Eichenschössling mit Wurzeln. Eine winzig kleine Eiche, die sie fest vertrauend auf einen Neuanfang in die Erde pflanzt.

 

Der Eichenschössling war nicht willkürlich gewählt. Die Eiche galt als der deutsche Baum schlechthin. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts hatte ihn die deutsche Nationalbewegung mit ihrer Heimat in Verbindung gebracht.

 

Auch auf Münzen erschien die mächtige Eiche als Symbol Deutschlands. Dieses 5 Reichsmark-Stück wurde zur Zeit der Weimarer Republik geprägt. Die Bildseite zeigt eine gewaltige Eiche, deren Wurzeln tief in den Boden greifen. Darum herum liest man die Umschrift „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Mit diesen Worten beginnt die dritten Strophe des Deutschlandliedes, das 1922 zur offiziellen Nationalhymne wurde.

 

Doch auch die Nazis hatten sich dieses Symbols bedient und damit die Eiche beinahe völlig diskreditiert. Auf dieser Medaille von Karl Goetz wird das Bild auf Hitler angewandt. Der Medailleur vergleicht ihn mit einem starken Spross, der aus dem Stumpf einer vom Alter zerstörten Eiche wächst. Das Jahr 936 links vom Baum steht für die Gründung des ersten Kaiserreichs unter Otto I., das Jahr 1871 für die Gründung des zweiten Kaiserreichs unter Wilhelm I. Der neue Trieb, der sich dem Hakenkreuz entgegenreckt, symbolisiert das Dritte Reich, wie sich die Diktatur der Nationalsozialisten selbst gerne bezeichnete.

 

Das Dritte Reich war gestürzt. Endlich! Damit war der alte Eichbaum mit seinen Wurzeln aus dem Boden gerissen geworden. Um neu anzufangen, musste ein kleiner Schössling gepflanzt werden. Hilflos und empfindlich war dieses kleine Bäumchen; es war auf sorgfältige Pflege angewiesen, wenn irgendwann in ferner Zukunft wieder eine starke Nation daraus wachsen sollte.

 

Zuständig für die Prägung unseres Fünfzigpfennigstücks war die Bank deutscher Länder, von den Alliierten überwachte Vorläuferin der deutschen Bundesbank. Und so liest man auf der Wertseite dieser ersten Fünfzig-Pfennig-Münzen „Bank Deutscher Länder“ als verantwortliche Institution.

 

Übrigens, diese Münze wurde irrtümlich mit der Jahreszahl 1950 geprägt. Eigentlich sollte mit dieser Jahresangabe die Umschrift Bundesrepublik Deutschland kombiniert werden, doch in der Münzstätte Karlsruhe machte man einen Fehler. Und in der Nachkriegszeit waren die Ressourcen zu gering, um die 30.000 geprägten Stücke wieder einzuschmelzen und korrekt auszuprägen. So wurde eine besondere Bekanntmachung erlassen, um die Fehlprägungen in Umlauf bringen zu können.

 

Der kleine Eichentrieb ist seit 1949 gewachsen. Aber erst der Fall der Mauer im Jahr 1989 hat Deutschland wieder zu einer großen Nation gemacht, zu einer großen Nation deswegen, weil sie aus ihrer Geschichte gelernt hat.

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