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Boetius, Trost der Philosophie, 1546

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Boethius ist wohl eine der spannendsten Gestalten der frühen Völkerwanderungszeit. Als hochrangiger Politiker – er war unter Theoderich bis zum Chef der Verwaltung des Weströmischen Reichs aufgestiegen – stürzte er, wurde ins Gefängnis geworfen und zum Tode verurteilt. Sein Trost der Philosophie soll nach seiner Verhaftung im Gefängnis entstanden sein, was dem berühmtesten Werk des Boethius eine Authentizität und Wahrhaftigkeit gibt, wie sie wohl nur die wenigsten Bücher erreicht haben.

 

Dabei handelt es sich hinsichtlich der Form des Buches eigentlich um etwas, das in der römischen Literatur durchaus üblich war. Es ist eine Trostschrift, ein Text, mit dessen Hilfe sich der vom Unglück Verfolgte wieder aufrichten soll. Solche Trostschriften wurden von gebildeten Menschen oft angesichts des Todes eines geliebten Menschen verfasst und verschickt. Unsere Beileidsschreiben erinnern, wenn sie natürlich auch nie an die kunstvolle Ausführung römischer Werke heranreichen können, an diese Sitte.

 

Boethius verbindet mit seiner Trostschrift an sich selbst gleichzeitig das, was die Philosophie als Protreptikos bezeichnet, als eine Aufforderung, sich mit der Philosophie zu beschäftigen, weil es nämlich nur die Philosophie sei, die in den Wechselfällen des Lebens den Mut zu einem geglückten Leben schenkt.

 

Angesichts der unberechenbaren Fortuna – man denke nur an die Carmina Burana oder an die unzähligen Darstellungen des Schicksalsrads, das in endlosen Variationen Aufstieg und Fall des Menschen durch das Glück symbolisiert – ist es nur die Herrin Philosophie, die den Menschen aus der Nichtigkeit der irdischen Güter und der Sinnlosigkeit menschlichen Strebens rettet.

 

Boethius Consolatio philosophiae wurde zu einem Lieblingstext der mittelalterlichen Klöster, weil sich in ihm anscheinend antike Philosophie mit christlicher Religion versöhnt. Auch wenn Boethius, der selbst durchaus getaufter Christ war, seinen christlichen Gott mit keinem Wort erwähnt, erklärt er, wie ein Philosoph zur Glückseligkeit gelangen könne. Und Boethius stellt und beantwortet die großen Fragen, die auch heute noch die Theologie bewegen: Warum ist das Böse in der Welt? Wie steht es mit der menschlichen Willensfreiheit?

 

Wie wichtig das Buch Consolatio philosophiae war, zeigt sich an der Tatsache, dass es kaum ein lateinisches, nicht christliches Werk gibt, das früher und häufiger übersetzt wurde. Notger von St. Gallen übersetzte es Ende des 10. / Anfang des 11. Jahrhunderts ins Altdeutsche. Um eine englische Übersetzung soll sich Alfred der Große und Geoffrey Chauncer, Autor der Canterbury Tales, gekümmert haben. Es gibt mehrere französische, spanische, italienische, aber auch eine hebräische und eine griechische Übersetzung.

 

Boethius hat mit seiner Consolatio philosophiae das mittelalterliche Denken entscheidend geprägt. Den Mönchen ging es dabei wie uns: Was verinnerlichen wir besser, als die Bücher, die wir in unserer frühen Jugend als Schullektüre lesen? Ob sie in ihren späteren Arbeiten Boethius zustimmten oder ablehnten, seine Gedanken waren es, an denen sich die mittelalterliche Philosophie abarbeitete.

 

 

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