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Goethe: über die Kapitalfunktion des Geldes

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Goethe befasste sich intensiv mit Wirtschaftsfragen und war - ähnlich wie seine Zeitgenossen - stark beeindruckt vom (gescheiterten) Experiment des John Law in Frankreich. Goethe verarbeitet seine Gedanken so: 

 

In Faust II begegnen wir einer uns bekannten Situation: Der Staat hat kein Geld.

 

Die Bevölkerung klagt, und der Kaiser muss sich alles anhören. Da schlendern Faust und Mephisto daher, und der Kaiser fragt:

 

Sag, weisst du, Narr, nicht auch noch eine Not? 

 

Mephisto entgegnet in seiner philosophischen Art:

Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt?

Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.

Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;

Doch Weisheit weiss das Tiefste herzuschaffen.

In Bergesadern, Mauergründen

ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,

Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:

Begabten Manns Natur – und Geisteskraft.

 

Der Kaiser wird ungeduldig:

Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn,

 

und Mephisto fährt fort:

Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;

Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;

Es liegt schon da, doch um es zu erlangen, das ist die Kunst.

 

Der Vorschlag: Man verpfändet das Gold im Boden, ohne es zu bergen, als eine Art Versprechen und verkauft dieses Versprechen dem Makler; heute würden wir sagen: auf dem Finanzmarkt. Indem das «Zeichengeld», wie es in Faust genannt wird, auf zukünftige Werte verweist, erzwingt es ständige Wertschöpfung. Faust weiss, dass das Papier erst dann einen Gold-Gleichwert bekommt, wenn es sich materialisiert, wenn es produktiv eingesetzt wird und die Wirtschaft im Sinne der Wertschöpfung expandiert und wächst. Ein endloser Prozess.

Deshalb muss eine Wette zwischen Faust und Mephisto abgeschlossen werden. Der entscheidende Inhalt der Wette ist das Verbot des Verweilens:

 

Werd'ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zu Grunde gehn!, sagt Faust.

 

Das ist die Kapitalfunktion des Geldes. Sie besagt, dass aus Geld immer mehr Geld werden muss. Kein Innehalten. Ohne Wachstum gibt es kein Geld mehr.

 

Nochmals kurz zurück zu Faust – der Kaiser traut diesem System, von dem er sich selbst hat verführen lassen, nicht:

 

Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug! Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?

 

Darauf erwidert der Schatzmeister:

Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben; Erst heute nacht. Du standst als grosser Pan, Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran: «Gewähre dir das hohe Festvergnügen, Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.» Du zogst sie rein, dann ward's in dieser Nacht Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht … Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt, Wie alles lebt und lustgeniessend wimmelt!

 

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