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Vom Geld der kleinen Leute - gerechtes und ungerechtes Geld: Wie durch Einführung des Dezimalsystems beim Wechseln zwischen Klein- und Großgeld seit der Französischen Revolution jedermann sparen konnte

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Haben Sie sich schon mal gefragt, ob "Geld" gerecht ist oder nicht? 

 

 

Hallo. Mein Name ist Ursula Kampmann, und ich bin Numismatikerin. Heute möchte ich Ihnen eine Frage stellten: Wann ist Geld eigentlich gerecht?

Ich höre schon, wie die Philosophen unter Ihnen aufschreien: Geld ist weder gerecht noch ungerecht! Gerecht oder ungerecht ist das, was der Mensch damit tut! Aber das stimmt nicht. Wir haben uns nur so sehr an ein gerechtes Geld gewöhnt, dass es uns nicht mehr auffällt. Früher haben Menschen Aufstände gemacht, weil ungerechtes Geld ihre Ersparnisse vernichtete. Aber sehen Sie selbst.

Ich habe hier 100 Cent. Wenn ich damit zur Bank gehe, und meine 100 1-Cent-Münzen gegen eine 1-Euro-Münze umtauschen will, dann geht das. Genau dasselbe passiert, wenn ich zum Beispiel 10 1-Euro-Münzen nehme. Die Bank gibt mir dafür einen 10-Euro-Schein. Natürlich kann ich die 10 1-Euro-Münzen auch auf ein Sparkonto einzahlen und erhalte 10 Euro gutgeschrieben.

Das ist ja jetzt wirklich nichts besonderes, werden Sie sagen. So funktionieren alle Währungen. Eben nicht. Eine Währung, bei der Kleingeld ohne Verluste in Geld umgewechselt werden kann, das man sparen kann, gibt es erst seit der französischen Revolution, und das ist gerade einmal ein klein bisschen mehr als 200 Jahren her.

Davor funktionierte Geld ganz anders. Da gab es im Grunde zwei Währungen nebeneinander. Die eine Währung war das Kleingeld, mit dem auf dem Markt bezahlt wurde. Bei diesem Kleingeld herrschte Münzzwang. Das bedeutet, wer etwas auf einem Markt kaufte oder verkaufte, musste das Geld benutzen, das die Obrigkeit vorschrieb. Und wie Obrigkeiten halt so sind, fast alle nutzten diese Rechtslage aus, um möglichst viel Geld in die eigene Kasse abzuleiten. Man ließ Kleingeld prägen, bei dem ein möglichst hoher Schlagschatz anfiel. Unter Schlagschatz versteht man den Unterschied zwischen intrinsischem Wert und Nominalwert, also zwischen dem, was in einer Münze an Metall drin ist, und dem, für das ein Kaufmann sie annehmen muss.

Neben diesem Kleingeld gab es selbstverständlich ein überregionales Geld, nennen wir es Spargeld. Denn die Goldmünzen und schweren Großsilbermünzen konnten nicht nur überall kursieren, sie verloren wegen ihres gleichbleibenden Feingehalts auch nicht an Wert. Im Grunde waren diese Münzen Mini-Barren in Gold und Silber, das was wir heute als Bullion bezeichnen. Mit diesem Geld handelten die Fernkaufleute, die en gros kauften und verkauften. Wer reich war, der hatte Taler und Gulden. Der Mittelstand zählte in Pfennigen und Groschen.

Reiche gab es wenige, und die besaßen auch noch Einfluss, so dass man sie nicht gerne verärgerte. So sanierte sich die Regierung lieber mit Hilfe des Mittelstandes und der kleinen Leute.

Um ihnen an einem konkreten Beispiel zu zeigen, wie das funktionierte, gehen wir zurück ins 14. Jahrhundert nach Zürich. Dort hatte der Rat in den 30er Jahren hohe Kosten gehabt. Er war gezwungen, dem Kaiser eine Anleihe zu geben. Dass die nie zurückgezahlt würde, stand von Anfang an fest. Die Zürcher aber mussten das Geld, das sie dafür geliehen hatten, selbstverständlich mit Zins und Zinseszins zurückzahlen. Um das zu tun, bediente sich der Rat einer indirekten Steuer. Er verschlechterte die Münzen, die auf dem Markt umliefen. Das funktionierte in Zürich, aber auf anderen Märkten wurden Zürcher Pfennige sofort verboten. So entschloss sich der Rat nach einiger Zeit, wieder den alten Standard einzuführen. 1335 wurde neue Pfennige geprägt. Jeder, der noch alte Pfennige besaß, musste sie gegen neue eintauschen. Er tauschte zwei alte Pfennige gegen einen neuen. Das bedeutete, dass alle Ersparnisse auf einen Schlag nur noch die Hälfte wert waren.

Die reichen Bürger berührte dieses Gesetz nicht. Ihr Vermögen war in Grund und Boden, in Gold und Silber angelegt. Das war eine große Ungerechtigkeit, die der Rat von Zürich büßen sollte. Im Jahre 1336 stürmten die Handwerker das Rathaus, vertrieben den alten Rat und gaben ihrer Kommune eine neue Verfassung.

Dies ist nur ein einziges Beispiel von vielen. Eine neue wissenschaftliche Arbeit erzählt von viel schwerwiegenderen Auswirkungen von ungerechtem Geld. Auf fast 800 Seiten weist Philipp Robinson Rössner nach, dass der große Bauernaufstand im Jahr 1525 sich weniger an religiösen Fragen entzündete, sondern an der Ungerechtigkeit im Wechselkurs von Kleingeld zu Spargeld.

Tatsächlich versuchte etwa seit dieser Zeit der Kaiser in Zusammenarbeit mit dem Reichstag eine allgemeine Reichsmünzordnung durchzusetzen, in der das Verhältnis des Talers zum Kreuzer festgelegt war. Leider hielt sich kaum jemand daran.

Das änderte sich erst mit dem Merkantilismus, als die Regierungen begriffen, wie wichtig ein gut funktionierendes Wirtschaftssystem war. Peter der Große von Russland war der erste, der eine Währung aufbaute, die auf dem Dezimalsystem beruhte. Leider gibt es keine Studien darüber, welche Auswirkungen das hatte. Ich vermute, dass in Russland die Monetisierung, also die Durchdringung des Alltags mit Geld, viel zu wenig weit fortgeschritten war, um überhaupt eine Wirkung spürbar zu machen.

Die ersten, die ein echtes Dezimalsystem einführten, waren die Mitglieder des französischen Nationalkonvents. Sie erließen 1795 ein Gesetz, das 100 Centime mit einem Franc gleichsetzte. Fest und unabänderlich. Diese Idee war folgenreich. Denn die Franzosen brachten ihr Geld in all ihre unterworfenen Gebiete. Und dort begriffen die Bürger schnell, welche Vorteile es bot, wenn der Staat gerechtes Geld ausgab. Nun konnten die kleinen Leute ihr Geld sparen, um es irgendwann für eine Investition einzusetzen. Durch dieses neue Geld wurde das Sparen für kleine Leute erst möglich.

Und heute? Heute spielen 1-Cent-Münzen und 1-Euro-Stücke in unserem Alltag kaum mehr eine Rolle. Die Fragen der finanziellen Gerechtigkeit haben sich verändert. Gerechtigkeit bleibt aber auch heute eine große Herausforderung.

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