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Nicolò Machiavelli, Werke (Tutte le opere …)

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Publiziert 1550 [Genf 1560]

 

Nicolò Machiavelli (1469-1527) wurde Opfer seiner Modernität. Warum werden seine staatsphilosophischen Schriften heute kaum noch von Philosophen behandelt? Nicht etwa weil sie schlecht wären, sondern weil viele seiner Ideen allgemein akzeptiert sind! Zu seinen Lebzeiten war das ganz anders.

Der Florentiner war Sohn eines verarmten Anwalts und damit Außenseiter. Nach dem Sturz der mächtigen Medici kam ihm das zugute: Florenz verwaltete sich fortan republikanisch. Da Machiavelli keiner der alten Parteien angehörte, wählte man ihn in den neuen Rat. Vierzehn Jahre lang war er zuständig für die Außen- und Sicherheitspolitik, später auch für das Militär. Er reiste in diplomatischer Mission quer durch Europa, zu Königen, Kaisern, Fürstenhöfen, dem Papst. Er kannte alle Tricks und wusste, wie Politik funktionierte. Doch dann kehrten die Medici zurück und beendeten Machiavellis Karriere endgültig.

Erst nach seiner politischen Kaltstellung 1521 verfasste Machiavelli die meisten seiner Werke. Doch wofür stand er? Für den „Machiavellismus“, jene Maxime, dass jedes Mittel, egal wie brutal, recht sei, solange man nur seine Ziele erreiche? Für eine republikanische Ordnung, wie Machiavelli sie in seinen „Discorsi“ beschwört? Tatsächlich orientierte sich Machiavelli stark an der römischen Antike. Zu seiner aktiven Zeit hatte er in Florenz sogar das Söldnerheer durch ein nach römisch-republikanischem Vorbild eingerichtetes Bürgerheer ersetzt – und so endlich nach vielen Misserfolgen den Erzfeind Pisa besiegt.

In seinem Herzen träumte Machiavelli von einem starken Fürsten für ganz Italien, der das Land eine und republikanisch und kultiviert regiere.

Ähnlich wie mit seiner „Geschichte von Florenz“ wollte Machiavelli sich auch mit seiner Schrift „Der Fürst“ wohl bei den Medici andienen. Diese Abhandlung war alles andere als ein „Fürstenspiegel“. Machiavelli seziert das Funktionieren von Macht auf eine Weise, die überzeitlich ist. An nur drei Regeln müsse sich jeder Fürst halten, alles andere sei in Notlagen erlaubt. Das war ein Minimalkonsens, doch für die Zeit war der Gedanke modern. Ebenso wie die Vorstellung, ein Fürst sei durch sein Handeln legitimiert, eine große Abstammung brauche es dafür nicht. Dieses Handeln ist von der traditionellen Moral freigesprochen, der Herrscher muss auch brutal handeln können, um die Existenz des Staates zu garantieren. Von solchen Herrschern gab es seinerzeit genug, gerade unter den Borgia, aber auch die Sforza und andere Dynastien, die von Condottieri abstammten, kannten wenig Skrupel, wenn es um den Erhalt ihrer Position ging.

Mit solchen Analysen legte der politische Insider Machiavelli – höchst modern! – gleichzeitig offen, dass das Geschäft der Macht als propagandistische Inszenierung funktionierte, vor die Moral nur als Maske geschoben war. Noch schlimmer: Machiavelli nahm diesen Zustand hin, ohne ihn zu kritisieren. Dafür sollte „Der Fürst“ später auf dem Index landen …

Machiavellis Denken orientierte sich somit nicht humanistisch an Idealen, sondern in modernem Sinne wissenschaftlich an der Empirie. Diese Ausgabe von 1550 fasst alle seine Schriften zusammen, die geprägt sind von der Zerrissenheit Italiens, von den Kämpfen der Stände und der Städte, von der Suche nach neuen Ordnungssystemen in einer chaotischen Welt. Das gilt nicht für die historisch-philosophischen Traktate, sondern auch für die subtile und noch immer beliebte Komödie „Mandragola“. In den Menschen seiner Zeit erkennen wir uns selbst wieder, Machiavelli hält uns den Spiegel ebenso erbarmungslos vor wie seinen Zeitgenossen.

 

Björn Schöpe

 

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