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Der misslungene Vierte Kreuzzug: Wie venezianische Fehlkalkulation 1204 zur Plünderung Konstantinopels führte

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Konstantinopel wurde geplündert, weil das päpstliche Kreuzfahrerheer nicht rechnen konnte. Diese Geschichte handelt von einer mittelalterlichen Schuldenfalle und ihren schlimmen Folgen.

Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Venedig. Wir befinden uns in der Zeit der Herrschaft des Dogen Enrico Dandolo, also zwischen 1192 und 1205 nach Christus.

 

Am 1. Juni des Jahres 1192 wurde Enrico Dandolo zum 74. Dogen der Stadt Venedig gewählt. Und nur wenige Monate später endete der 3. Kreuzzug. Es war ein Desaster. Für nichts und wieder nichts war der deutsche Kaiser Friedrich Barbarossa gestorben. Und dazu hatten die Christen des Abendlandes ihr gutes Verhältnis zum byzantinischen Kaiser verspielt.

 

Doch mit dessen Macht war es sowieso nicht mehr weit her. Die byzantinische Flotte zum Beispiel bestand mittlerweile aus jämmerlichen 20 Schiffen. Damit konnte man nicht einmal Piraten abwehren.

 

Der Handel von Konstantinopel ging dramatisch zurück, was auf der anderen Seite bedeutete, dass der Strom der byzantinischen Münzen in den Westen abriss. Das war vor allem für die Handelsstädte ein Problem. Bisher beglich man nämlich die hohen Rechnungen zumeist mit byzantinischen Münzen. Venedig ergriff die Initiative und schuf eine neue Münze, den Grosso oder Matapan.

 

Grosso bedeutet auf Italienisch der Fette, und tatsächlich war der Grosso für damalige Verhältnisse eine besonders schwere Silbermünze. Das Wort Matapan dagegen kommt aus dem Arabischen. Es bezeichnet eine sitzende Gestalt und bezog sich auf den thronenden Christus der Rückseite. Der lehnte sich an byzantinische Vorbilder an.

 

Auch die Übergabe eines Herrschaftszeichens durch einen Heiligen kennen wir von byzantinischen Münzen. Die Venezianer wandelten die Darstellung um: Nun erhielt der venezianische Dux, oder wie wir heute sagen der Doge, vom heiligen Markus eine Standarte.

 

Diese Münzen wurden bald in großen Mengen geprägt, denn mit ihnen bezahlte Venedig sein größtes finanzielles Abenteuer: 1198 hatte nämlich Papst Innozenz III. wieder einmal zum Kreuzzug aufgerufen.

 

Der Landweg war den Kreuzrittern versperrt. Schließlich war man mit dem byzantinischen Reich verfeindet. So brauchte man eine Flotte, und die konnte nur eine bedeutende Seemacht wie Venedig bereitstellen.

 

200 Schiffe, so rechneten die Kaufleute vor, müssten sie bauen, um alle Ritter, Knappen und Pferde zu transportieren. Dazu Verpflegung für ein Jahr, Summa Summarum 85.000 Mark Silber. Das war der Preis. Dafür bauten die Venezianer in ihrem Arsenale eine gewaltige Flotte.

 

Ihre ritterlichen Geschäftspartner hatten den Preis abgenickt ohne nachzurechnen. Rechnen war eines Ritters unwürdig. Und so übersahen sie, dass sie gar nicht in der Lage waren, die rund 20 Tonnen Silber zu zahlen. Sie saßen also in Venedig fest. Die Venezianer beharrten auf Zahlung vor Abfahrt. Und die Kreuzritter besaßen nicht genug Geld.

 

Schon allein für eine Stundung der Schulden sahen sich die edlen Kreuzritter gezwungen, die christliche Stadt Zara im Auftrag von Venedig zu erobern. Und damit war der eigentliche Kreuzzug immer noch nicht finanziert.

 

Eine Lösung bot Philipp von Schwaben mit seinem Schwager Alexios. Der war ein Sohn des gerade erst abgesetzten byzantinischen Kaisers. Würden die Kreuzritter ihn wieder in sein Amt einsetzen, übernähme die byzantinische Staatskasse alle Kosten des Kreuzzugs.

 

Endlich ging es los, wenn auch nicht in Richtung Heiliges Land. Ziel war Konstantinopel. Und auch dort lief so einiges schief. Kein byzantinischer Kaiser verfügte über so viel Gold, dass er die Forderungen der Kreuzritter hätte befriedigen können. Die hatten im Februar 1204 die Nase voll. Nun holten sie sich, was sie brauchten. Sie plünderten Konstantinopel.

 

Auch Venedig bekam seinen Teil. Enrico Dandolo sicherte sich Reliquien, Schätze und Gebiete, die weit mehr einbrachten als das, was der Bau der Schiffe gekostet hatte. Noch heute zeugen die Pferde von San Marco von der gewaltigen Beute. Die Venezianer brachten sie mit aus Konstantinopel und stellten sie zur Ehre ihres Stadtheiligen auf den Markusdom.

 

Denn es war natürlich die Gnade des heiligen Marcus, die den venezianischen Dogen Enrico Dandolo kurzzeitig zu einem der mächtigsten Männer der damals bekannten Welt gemacht hatte. Er sollte nicht nach hause zurückkehren. Er starb in Konstantinopel, wo sein Grab heute noch in der Hagia Sophia besichtigt werden kann.

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