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Von Wagenlenkern und Quellnymphen: Vorder- und Rückseitenmotiv der Münzen von Syrakus, nach 500 v. Chr.

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Jede Münze hat zwei Seiten. Nicht immer ist es einfach zu bestimmen, was die Vorder- und was die Rückseite ist. Um die Frage bei den Münzen von Syrakus zu beantworten, müssen wir uns mit der Götterwelt der Stadt beschäftigen und bei der ersten Münze, nach der Wende zum 5. Jahrhundert vor Christus, beginnen.

 

 

Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Syrakus. Wir befinden uns kurz nach der Wende zum 5. Jahrhundert vor Christus.

 

Jede Münze hat zwei Seiten, völlig gleichberechtigt. Nichtsdestotrotz hat es sich in der Numismatik eingebürgert, die Seiten nach Vorder- und Rückseite zu unterscheiden. Das ist nicht immer leicht. Was ist denn jetzt die Vorderseite dieser Münze? Das Pferdegespann? Der weibliche Kopf?

 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns einmal ansehen, wie die erste Münze dieser speziellen Münzserie ausgesehen hat.

 

Unsere Münze kommt aus Syrakus. Das kann man darauf auch lesen. Syrakosion, Münze der Syrakusaner. Aber schauen Sie genau hin. Der Stempelschneider benutzte merkwürdige Buchstaben. Das Sigma sieht aus wie ein lateinisches S mit spitzen Winkeln, auch das R ist unserem Buchstaben viel ähnlicher als dem griechischen Rho, und gar das Koppa, das erinnert an ein O mit einem Strich nach unten. Es handelt sich um sehr alte Formen der griechischen Buchstaben. Schließlich ist unsere Münze bereits kurz nach der Wende zum 5. Jahrhundert v. Chr. geprägt worden.

 

Dargestellt ist eine Quadriga, die von einem Wagenlenker geführt wird. Diesem Motiv blieben die Syrakusaner mehr als einhundert Jahre lang treu.

 

Was es darstellen soll, verdeutlichen spätere Ausgaben. Darauf treibt der Wagenlenker manchmal die Pferde zum vollen Galopp an, während die Siegesgöttin ihn bekränzt.

Manchmal bekränzt Nike auch das nach dem Sieg langsam fahrende Gespann.

 

Es ging in Syrakus also hundert Jahre lang darum, den Sieg im Wagenrennen zu feiern. Aber was für ein Sieg soll das gewesen sein? Siegte Syrakus etwa hundert Jahre lang ständig im Wagenrennen?

 

Natürlich nicht. Diese Darstellung hat einen ganz anderen Hintergrund. Seit Ulrich Sinn die Geschichte Olympias rekonstruiert hat, wissen wir, dass die Priester des Heiligtums entscheidend an der Kolonisierung Unteritaliens und Siziliens beteiligt waren. Deshalb fühlten sich sizilische Städte wie Syrakus verpflichtet, alle vier Jahre zum großen Fest von Olympia eine Gesandtschaft zu schicken. Der gehörten natürlich auch Sportler an, darunter Quadrigen mit schnellen Pferden. Die starteten dann bei den Wettkämpfen, die ein integraler Bestandteil des Götterfestes waren.

 

Ein Sieg in Olympia galt als Zeichen göttlicher Gnade. Sicher siegte hin und wieder ein syrakusanisches Gespann und bestätigte damit den Syrakusanern, was sie in ihrer Stadt sowieso tagtäglich erlebten: Zeus war ihnen wohlgesonnen. Zeus hatte ihnen ihre Stadt geschenkt. Und sein Wohlwollen erwies er eben auch, wenn er hin und wieder dafür sorgte, dass ein syrakusanisches Gespann im Wagenrennen siegreich blieb.

Die Quadriga als Zeichen der Gunst des Göttervaters Zeus markiert also eindeutig die Vorderseite der syrakusanischen Münzen.

 

Was aber ist mit dem weiblichen Kopf? War der nicht so wichtig, weil man ihn auf die Rückseite verbannte?

 

Wenn wir uns unsere Münze ansehen, die kurz nach 500 v. Chr. entstanden ist, erkennen wir ganz deutlich, dass der Kopf als kleines Accessoire auf der Rückseite begann.

 

Als die Griechen ihre ersten Münzen prägten, ließen sie den Stempel in einen Amboss ein und trieben den Schrötling in die Form, indem sie mit Punzen auf das Metall schlugen. Bald verzierten sie diese Punzen und stellten große Rückseitenstempel her, die aussahen, als wären vier Punzen einzeln eingeschlagen worden.

 

Der Rückseitenstempel für unsere Münze wurde besonders schön gestaltet. Er ahmt ein windmühlenförmig vertieftes, gevierteltes Quadrat nach, in dessen Mitte ein weiblicher Kopf zu sehen ist.

 

Mit der Abbildung dieses weiblichen Kopfes wiesen die Syrakusaner auf ein weiteres Zeichen göttlicher Gunst hin.

 

Das Zentrum von Syrakus lag auf der Insel Orthygia. Die bot nicht nur zwei sichere Naturhäfen, sondern auch eine ergiebige Wasserquelle, die die ganze Bevölkerung versorgen konnte und so die Stadt auch bei einer Belagerung uneinnehmbar machte.

 

Die Quelle nannte man Arethusa. Heute ist sie ein dreckiges, rattenverseuchtes Touristenspektakel.

 

Wie Arethusa im Altertum ausgesehen haben könnte, erfahren wir an der nahe gelegenen Quelle Cyane, die einst ebenfalls kultisch verehrt wurde. Es ist immer noch ein magischer Ort. Hier wächst der Papyrus, was für Europa sehr außergewöhnlich ist. Hier kann man verstehen, warum die Griechen glaubten, dass frisch sprudelnde Quellen von Nymphen bewohnt wurden, von jungen Frauen, die sich in ihrem Wasser überreich verschenkten. Es war eine göttliche Gunst, so eine Quellnymphe in der eigenen Stadt zu beherbergen.

 

Und so wurde Arethusa immer wieder im Münzbild dargestellt, immer als junge Frau, und sehr bald schon zwischen vier Delphinen, die für das weite Meer standen, das Arethusa umgab.

 

Aber natürlich stand die Gunst des Zeus an erster Stelle, Arethusa an zweiter. Unser Wagenlenker ist also die Vorderseite, Arethusa die Rückseite.

 

Und wir werden jetzt auf keinen Fall anfangen zu diskutieren, ob bei den Euromünzen die nationale oder die europäische Seite die wichtigere ist und deshalb als Vorderseite behandelt werden muss.

 

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