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Geld und Zeit II: Wachstum

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Der Zwang, aus Geld immer mehr Geld zu machen

Nicht Gier der Menschen ist es, die zu wirtschaftlichem Wachstum zwingt. Nicht weil die Menschen immer mehr Güter haben wollen, sieht sich „die Wirtschaft“ gezwungen, immer mehr zu produzieren. Und nicht wenn Menschen sich mit weniger begnügen würden, könnte die Wirtschaft aufhören, auf ihrem Wachstum zu bestehen. Sie ist vielmehr gezwungen, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Und das zwingt sie dazu, unter anderem auch immer mehr Güter zu produzieren und die Menschen dazu zu bringen, dieses immer Mehr an Gütern auch zu wollen, nämlich zu kaufen.

Geld muss als Kapital fungieren

Die kapitalistische Wirtschaft, zu der es im Verlauf des europäischen 16. Jahrhunderts kommt, ist zwingend auf diese Art Wachstum angewiesen: nach der Logik des modernen Geldes, das zum Hauptvermittler aller Versorgung geworden ist. Wenn eine ganze Gesellschaft darauf angewiesen ist, über Geld zu bekommen, was sie zum Leben braucht, muss sie vor allem durchgängig zu Geld kommen. Und das heißt, dass Geschäfte Geld abwerfen müssen – also mehr Geld ergeben, als aufgewendet wurde. Diese Notwendigkeit, gesellschaftsweit durchgesetzt, ergibt rein rechnerisch, völlig stur, blind und unwiderleglich den Zwang, dass Geld zu mehr Geld werden muss.

Wenn dies bei einem einzelnen Geschäft misslingt, ergibt es einen Verlust. Wenn es einem Unternehmen auf Dauer misslingt, geht es bankrott. Wenn es auf Dauer einer ganzen Gesellschaft misslingt, bricht ihr Geldsystem zusammen – und damit alle Versorgung, die von diesem System abhängt. Deshalb muss es in diesem System dieses Mehr geben: Schon ein Prozent zu wenig Wachstum bedeutet Krise. Geld muss als Kapital fungieren – muss, um Geld zu bleiben, mehr Geld werden.

Wachstum und Krisen

Dieses Wachstum ist, wie inzwischen nicht weniger als vier kapitalistische Jahrhunderte beweisen, über lange Zeit hinweg möglich. Und fast vom ersten Augenblick an haben die Menschen darin das Versprechen gesehen, dass es auf immer möglich wäre, indem sie sich eine bloße Notwendigkeit zur bestehenden Wirklichkeit umgedeutet haben. Ebenso von Anfang an wurden aber Phasen von Wachstum durch Krisen unterbrochen und die jüngsten haben den Glauben an die letztliche Beständigkeit des Wachstums sehr wohl erschüttert – und damit zurecht auch den Glauben an das Geld. Und doch vermag keine Krise etwas gegen den Zwang, dass es mit Geld und Wachstum auf immer weitergehen muss, wenn die Versorgung über Geld nicht zusammenbrechen soll. Wie sehr dieser Zwang die Versorgung, die von ihm abhängt, auch schädigen mag, etwa in Gestalt belasteter Lebensmittel oder insgesamt einer zunehmend zerstörten Welt, das Geld zwingt die Menschen dazu, auf ihn all ihre Hoffnung zu setzen: gerade ihn als ein einziges, großes Versprechen anzusehen.

 

Das Geld zwingt die Menschen dazu, auf ihn all ihre Hoffnung zu setzen: gerade ihn als ein einziges, großes Versprechen anzusehen.

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