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Teklić Teresa: Wichtigstes Buch. Pierre Bourdieu, Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft.

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Woher wissen wir, was guter Geschmack ist? Wer bestimmt, ob eine Toilette als Ausstellungsstück im Museum einfach nur eine Toilette ist oder Kunst? Mit diesen und ähnlichen Fragen setzte sich der französische Soziologe und Philosoph Pierre Bourdieu auseinander. In „Die feinen Unterschiede“, einem seiner zentralen Werke, behauptet er, dass weder Kunstverständnis noch Geschmack angeboren sind. Sie sind vielmehr das Ergebnis komplexer Sozialisierungsprozesse in der Gesellschaft. 

 

Von klein auf lernen wir in Institutionen wie der Familie, der Schule oder später der Universität, Kunst zu beschreiben, sie zu interpretieren und zu klassifizieren. „Oh ja, sehen Sie nur diese Farben! Ja, das ist ganz typische für den Expressionismus, wir haben es hier eindeutig mit einem Kandinsky zu tun...“ Wer solche Aussprüche tätigt ist keineswegs von Natur aus intelligenter oder besser als jemand, der den Kandinsky nicht erkennt, so Bourdieu; er hat es lediglich gelernt und der andere nicht. 

 

Trotzdem behaupten viele Menschen ihr Geschmack sei natürlich, um damit ihre übergeordnete gesellschaftliche Stellung zu legitimieren. Das ist die Krux an Bourdieus Theorie und einer der Gründe, warum sie bis heute so einflussreich ist. Ob jemand also zur Arbeiterklasse oder zur Oberschicht gehört, hängt nicht mehr nur davon ab, wie viel Finanzkapital oder Produktionsstätten er besitzt. Zu einer Klasse gehören auch Menschen, die sich ähnlich kleiden, die gleichen Restaurants besuchen oder den gleichen Musikgeschmack haben. Kapital kann demnach in vielen verschiedenen Formen auftreten, etwa als soziales, symbolisches oder kulturelles Kapital. 

 

Interessierte Leser, die auch anspruchsvolle Texte nicht scheuen, sollten sich unbedingt an Bourdieu versuchen. Für diejenigen, die es gerne etwas anschaulicher haben, gibt es inzwischen hervorragende Comics und YouTube Videos.

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