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Überwachen und Strafen von Michel Foucault. Das wichtigste Buch von Benedikt Falz

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Was bringt mich dazu, mitten in der Nacht an einer völlig menschenleeren Kreuzung stehen zu bleiben und auf Grün zu warten? Es ist nicht der Verkehr, da keine Autos zu sehen sind. Es ist nicht die Polizei, die mich mit Sicherheit nicht sehen kann. Trotzdem tue ich es nicht, ich will ja nichts Falsches machen. 

Was ich mir selbst nur schwer erklären kann, nennt der französische Philosoph Michel Foucault (1926-1984) ganz einfach: Disziplin. Er erklärt dies in seinem 1975 erschienenen Buch „Überwachen und Strafen“, in dem er vordergründig die Entwicklung des Straf- und Gefängniswesens nachzeichnet. Foucault zeigt auf, wie sich in Frankreich und anderen Ländern die Justiz vom Martern und Einkerkern weg und hin zur modernen Besserungsanstalt entwickelt hat. 

Doch dabei bleibt es nicht, denn das perfekte Gefängnis besteht nicht aus Mauern, Stacheldraht und Gitterstäben – es steht in unseren Köpfen. Denn so wie das ideale Gefängnis den Insassen dazu bringt, nie wieder eine Straftat zu begehen, funktioniert die moderne Gesellschaft ebenfalls. Foucault meint, die strafenden Mechaniken der Besserungsanstalt in allen Teilen des öffentlichen Lebens wiederzufinden: Kranke werden eingeteilt und kontrolliert, in der Schule wird jeder Fehler bestraft, im Militär muss in Reihe gestanden werden.

Wir wissen daher, dass wir theoretisch ständig Fehltritte begehen könnten. Wir fühlen uns mehr und mehr beobachtet, auch wenn niemand hinsieht. Arbeitsplatz, Schule, Krankenhaus, Militär – überall könnte man ja etwas falsch machen. Und damit das nicht passiert, passen wir uns an und überwachen uns selbst. Foucault öffnet uns die Augen für einen neuen Blick auf uns selbst: Wir werden zu immer besseren Untertanen eines Systems, das sich um Überwachung nicht mehr kümmern muss. 

Und plötzlich steht man um drei Uhr morgens allein vor der roten Ampel und fragt sich, wie man hier eigentlich hingekommen ist. 

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