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Die Lira des mächtigen Dogen Niccolò Tron – warum sein Münzporträt den Venezianern im 15. Jahrhundert Angst einflößte und auf Ablehnung stieß

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Soll ein Staatsoberhaupt autoritärer Herrscher oder reine Repräsentationsfigur sein? Gelegentlich spiegelt sich diese Diskussion in der Münzprägung: So hat Venedig nur eine Münze mit dem Porträt eines Dogen geprägt. Ihre Geschichte erzählen wir.

 

 

Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Venedig. Wir befinden uns in den Jahren zwischen 1471 und 1473 n. Chr.

 

Als Karl der Große sein Währungssystem schuf, steckte der internationale Handel in den Kinderschuhen. Die römischen Straßen waren verfallen, das Reisen gefährlich, und Luxuswaren konnten sich höchstens die Großen des Reichs leisten.

 

Deshalb ließ Karl nur die kleinste Einheit prägen, den Pfennig. 12 dieser Pfennige gingen theoretisch auf einen Schilling, 20 Schillinge auf ein Pfund. Wie gesagt, in der Theorie, denn sowohl den Schilling als auch das Pfund gab es ausschließlich in den Rechnungsbüchern.

Wer wirklich große Summen begleichen musste, griff auf die Goldmünzen der byzantinischen Kaiser zurück.

 

Doch die Zeiten änderten sich. Die Handelsstraßen wurden besser. Seit den Kreuzzügen verkehrten regelmäßig Handelsschiffe zwischen West und Ost und brachten die Kostbarkeiten des Orients in das Abendland.

 

In der reichen Handelsstadt Venedig erkannten die führenden Politiker schnell, dass das traditionelle Münzsystem bei einem so hoch differenzierten Wirtschaftssystem nicht mehr ausreichte.

 

1204 führte Enrico Dandolo eine schwerere Silbermünze ein, den Grosso Matapan.

1284 folgte eine Goldmünze, die Zecchine.

 

Doch zwischen dem Grosso Matapan und der Zecchine war ein riesiger Wertunterschied.

Aus diesem Grund ließ der venezianische Doge Niccolo Tron die Lira prägen. Lira ist nichts anderes als das italienische Wort für das karolingische Pfund zu 240 Pfennigen.

 

Auf der Rückseite zeigt die Lira den geflügelten Löwen des heiligen Markus, Wappentier der Venezianer. Er trägt einen Nimbus und hält die heilige Schrift aufgeschlagen vor sich. Die Inschrift lautet SANCTVS MARCVS. Heiliger Marcus. So weit, so gut. Der heilige Marcus und sein Löwe waren schon lang die wichtigsten Motive auf den venezianischen Münzen. Die Vorderseite aber, die fiel völlig aus dem Rahmen.

 

Sie zeigt den Dogen der Republik in Amtstracht mit der so typischen Kopfbedeckung.

Auch der Doge war nicht völlig neu in der venezianischen Münzprägung. Auf den Zecchinen ist er abgebildet, wie er vom heiligen Marcus die Fahne als Zeichen der Herrschaft über Venedig entgegennimmt. Er kniet. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen.

 

Wie anders ist das auf der Lira. Da begegnet uns nicht ein stilisierter Doge, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut, mit Falten, einer Knollennase und einem Spitzbart.

Genauso tritt er uns auf seinem prächtigen Grabmal in der Frari-Kirche entgegen. Mächtig, in der reich geschmückten Amtstracht, ein Herrscher über ein gewaltiges Reich.

Niccolò Tron war ein bedeutender Kaufmann. Er hatte sich bei seiner Wahl gegen einflussreiche Konkurrenten durchgesetzt. Und so konsequent wie er seine Wahl betrieben hatte, förderte Tron die Sache der Republik. Er sicherte die Herrschaft der Serenissima über Zypern, baute das Arsenale aus und schloss ein Bündnis mit den Turkmenen, den Feinden der Osmanen in Anatolien.

 

Tron sah sich als das Staatsoberhaupt, und in dieser Funktion schmückte sein Porträt die Vorderseite der neuen Münze.

 

Die Venezianer sahen das anders. Im Dogenpalast, wo noch heute die Galerie aller Dogen zu besichtigen ist, verdeckte ein schwarzes Tuch das Antlitz des Dogen, der versuchte, die Herrschaft über Venedig zu gewinnen.

 

1355, mehr als hundert Jahre vor der Wahl des Niccolo Tron ins Dogenamt, soll Marino Faliero einen Staatsstreich unternommen haben. Die Venezianer sagten ihm nach, er habe seine Dynastie zu Herrschern der Seerepublik machen wollen. Die Verschwörung wurde entdeckt, der Doge hingerichtet.

 

Die Münzen des Niccolo Tron riefen bittere Erinnerungen an diesen Staatsstreich wach. Deshalb ließen die Venezianer sofort nach dem Tod des Dogen die Prägung einstellen und all seine Lire-Stücke einziehen.

 

Die Lira an sich wurde weiter ausgeprägt, aber die nächsten Ausgaben zeigten wieder das gewohnte Bild des knienden Dogen ohne individuelle Züge.

Eine machtlose, austauschbare Repräsentationsfigur, so wollten die Venezianer ihren Dogen.

Persönlichkeiten wie ein Niccolo Tron waren da fehl am Platze.

 

Während andere italienische Staaten die Köpfe ihrer Herrscher auf den prachtvollen Testone abbildeten, blieb Niccolo Tron bis zum Untergang der venezianischen Republik der einzige Doge, dessen Bild je auf einer Münze zu sehen gewesen war.

 

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