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Geld – Original oder Kopie?

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Die schöne altgriechische Münze

Das Dilemma: Vor einigen Jahren offerierte mir ein Bekannter eine altgriechische wunderschöne Münze. Wenn echt und somit ein Original, war die Münze gut $ 50.000 wert. Der Mann brauchte dringend Geld und ich spürte, dass er auch ein tieferes Angebot annehmen würde. Wie hätten Sie reagiert? Hätten Sie ihm auf die Hand $ 25.000 offeriert und einen schönen Gewinn gemacht oder hätten Sie die Münze zuerst durch einen Spezialisten prüfen lassen und dann zum Schätzpreis gekauft?

Ich wählte den zweiten Weg. Der Spezalist fand die Münze wunderschön, einmalig. Nach einer halben Stunde hielt er die Münze noch immer in der Hand und ich drängte ihn mit der Frage, ob ich sie nun kaufen kann. Sein Fazit: Diese wunderschöne Münze gibt es nur einmal und die liegt im British Museum in London. Wenn sie immer noch dort liegt, müsste dies eine wertlose Kopie sein. Dies war das einzige Kriterium. Seither beschäftigt mich die Frage:

Ist unser Geld ein Original – oder ein wertloses Versprechen, eine Kopie?

Die Frage: Ist unser Geld ein Original – oder ein wertloses Versprechen, eine Kopie? Für mich ist ein Original etwas Ursprüngliches, etwas von einem Menschen Geschaffenes, sei es ein Gegenstand oder ein Versprechen. Eine Kopie dagegen ist eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, es will etwas sein was es nicht ist, es ist ein leeres Versprechen. Bei wertvollen Münzen ist dies einfach zu beantworten. Banknoten tragen eine spezifische Nummer und sind in diesem Sinn Original-Versprechen. Früher erkannte man Münzen am Prägeschlag, sie waren original. Traditionelle Gesellschaften kannten jedes einzelne Geldsymbol, weil diese Symbole von Hand angefertigt waren. Diese Geldsymbole waren Originale. Aber auch heute gilt: Geld ist ein Versprechen eines Einzelnen in die Zukunft; es ist nicht kopierbar, sondern nur unendlich wiederholbar als neues Versprechen. Wenn ich eine Hypothek aufnehme, wird dieses Geld kreiert und gilt als mein Versprechen es zurückzuzahlen, auch wenn es mehrere Male weiterverbrieft wird. In diesem Sinn ist unser Geld ein Original-Versprechen, von wem auch immer, und kein wertloses Versprechen, keine Kopie.

Das deutsche Literaturarchiv in Marbach führte eine Ausstellung durch: «Der Wert des Originals.» Das Fazit der Ausstellung: Noch nie waren wir (gemeint die westlichen Menschen) so sehr auf Originale angewiesen wie heute. Das Original sagt uns, wann etwas begann und wie etwas Neues in die Welt kam. Es spendet Legitimität, setzt Werte fest, sichert kulturelle Ursprünge. Es ist die Antwort auf die Frage, warum etwas sei. Es verhindert, dass uns die Welt entgleitet. Genau dieses Entgleiten geschieht heute beim Geld, wir erinnern uns nicht mehr, dass es original ist – wir zählen nur noch, wie viel wir davon besitzen. Original kommt von lat. origo = Ursprung, Quelle.

Das Original in China

Vor einigen Jahren begann ich mich für chinesische Geschichte zu interessieren. Ich begann chinesische Münzen der letzten 2000 Jahre zu sammeln. Es fiel mir auf, wie günstig diese waren im Vergleich zu unseren antiken Münzen. Der wichtigste Grund ist: Die östliche Kultur betrachtet Originale anders als der Westen. Der Osten kennt unser starres Konzept des Originals nicht.

Das chinesische Bewusstsein ist geprägt vom Prozess und von den Wandlungen, die einen Prozess begleiten. Undenkbar wäre eine Schöpfung, die sich an einem einmaligen Punkt ereignete. Darum hat das chinesische Denken keinen Zugang zu Ruinen. Es kennt jene Identität nicht, die auf einem einmaligen Ereignis beruht. Deshalb lässt es die Idee des unveränderlichen Originals nicht zu. Nicht die Schöpfung mit einem absoluten Anfang, sondern der kontinuierliche Prozess ohne Anfang und ohne Ende ist bestimmend für das chinesische Denken.

Lernen durch Kopieren

In der altchinesischen Kunstpraxis erfolgt das Lernen ausdrücklich durch das Kopieren. Das Nachmalen gilt als ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Meister. Wenn sich ein Fälscher von einem Sammler ein Bild ausleiht und bei der Rückgabe statt des Originals unbemerkt eine Kopie aushändigt, so handelt es sich nicht um Betrug, sondern um einen Akt der Gerechtigkeit. «Jeder soll die Bilder besitzen, die er verdient.» Nicht der Kauf, sondern die Kennerschaft allein entscheidet über die Rechtmässigkeit des Besitzes.

Malt ein Fälscher so gut wie ein Meister, dann ist er eben ein Meister. Bekanntlich stellte auch Michelangelo – wie manche chinesische Maler – von den ausgeliehenen Bildern perfekte Kopien her und gab sie anstelle der Originale zurück.

Für uns hat das asiatische Verständnis Konsequenzen, weil Asien ein immer grösserer Teil der Weltwirtschaft wird. Es wird unser eigenes Verständnis von Geld und Eigentum ändern.  Bevor wir zum Fazit gelangen, nochmals eine Rekapitulation.

Die Frage «Was ist ein Original?» ist eine gute Frage, eine ernste Herausforderung.

Das Original ist für den westlichen Menschen von heute wichtig, um seinen Standort zu definieren, führt aber zur Betonung materieller Werte und zu einer starren Haltung. Entweder es ist das Original oder eine wertlose Kopie.

Der östliche Mensch fokussiert auf den Prozess, auf den Wandel einer Beziehung, auf die Kunstfertigkeit, nicht auf den Anfang einer Entwicklung, nicht auf ein bestimmtes Ereignis, an dem man den Ursprung anbinden könnte. Er erinnert sich deshalb viel eher an das Versprechen.

Geld als Verprechen

In Bezug auf Geld heisst dies: In Zukunft wird mehr Gewicht auf das dynamische Konzept von «Geld als Versprechen» und weniger Gewicht auf das starre Konzept von «Geld als materielles Symbol» gelegt. Der Osten lebt das Versprechen und unterwirft es einem ständigen Wandel, im Westen ist das Versprechen zu einem starren Symbol erstarrt, das man nur noch zählt.

Fazit:

  • Geld als Symbol von materiellem Wert wird zunehmend wertlos. Es ist ein Auslaufmodell. Das erkennt man an der Flucht in Sachwerte; daran, dass die Zentralbanken dem Geld einen Zins von nahezu 0% verpassen. Anleger wollen nicht Geld, sondern ein Aktivum. Das hat Implikationen für festverzinsliche Werte wie Obligationen. Und für unsere Pensionskassen, die vor allem in festverzinsliche Werte investieren. Die verlieren zunehmend ihren Wert.
  • Auf der positiven Seite wird sich das gesamte Anlageverhalten verändern. Der Anleger der Zukunft sichert und vermehrt sein Geld durch aktive Teilnahme an der Wirtschaft, d.h. durch Aktien und Dienstleistungen, die unternehmerisches Risiko auf sich nehmen.
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