Delphi erobern, Grieche sein: Wie Philipp II. von Makedonien durch Delphi sein „Barbarenstigma“ abstreift und sich auf Goldstateren als Grieche und Günstling Apolls propagiert
Die Makedonen hatten ein Image-Problem. Die Griechen waren sich nicht sicher, ob das Volk im Norden tatsächlich zu ihnen gehörte. Philipp II. schuf eine eindrucksvolle Münzserie, um dies zu beweisen.
Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Kolophon, einer Stadt an der Westküste der Türkei, nördlich von Ephesos. Wir befinden uns in den Jahren zwischen 323 und 317 vor Christus.
Jeder im antiken Griechenland kannte den Gott, der auf der Vorderseite dieser Münze abgebildet ist. Es handelt sich um Apollon; aber nicht um irgendeinen Apollon. Philipp II., der große König der Makedonen, wählte den Apollon von Delphi als Motiv für seine ersten Goldmünzen; und das hatte einen ganz bestimmten Grund.
Die Makedonen waren den Griechen in Athen, Korinth, Theben und wie all diese Städte im Süden hießen, nämlich ziemlich suspekt. Sie sprachen so komisch. Konnte man ihren Dialekt überhaupt noch Griechisch nennen? Oder waren die Makedonen Barbaroi, Männer, deren Sprache wie bar-bar klang? Philipp aber wollte Einfluss gewinnen auf den Süden. Und dafür musste er den misstrauischen Griechen zeigen, dass auch die Makedonen Griechen waren. Nichts Besseres gab es zu diesem Zweck als seinen Sieg auf dem Krokusfeld im Jahre 352.
Philipp hatte nämlich in Namen Apollons gekämpft. Zum gemeinsamen Feind wurden die Phoker erklärt, die Delphi, das Heiligtum des Apollon, erobert hatten, und es nun besetzt hielten, so dass keiner außer ihnen und ihren Verbündeten das Orakel befragen konnte. Außerdem hatten die Phoker so Zugriff auf die unglaublichen Reichtümer, mit denen die Gläubigen seit Jahrhunderten ihre Dankbarkeit gegenüber Apoll zum Ausdruck gebracht hatten. Mit diesen Schätzen bezahlten die Phoker ihr riesiges Söldnerheer, das sie unbesiegbar gemacht hatte, bis Philipp ihnen den heiligen Krieg erklärte.
Vor der entscheidenden Schlacht auf dem Krokusfeld befahl der makedonische König seinen Soldaten, sich mit Lorbeer zu bekränzen. Schließlich war der Lorbeer dem Apoll heilig. Damit drückte Philipp den Anspruch aus, im Namen Apolls zu kämpfen und zu siegen.
Wir sind heute zynisch. Bei einem Sieg glauben wir an die Überlegenheit der Waffen oder vielleicht noch der Strategie. Ein gläubiger Grieche dagegen schrieb den Sieg den Göttern zu. Zeus bewies so, wem seine Gunst galt. Die geflügelte Göttin Nike brachte in seinem Auftrag den Siegeskranz.
Und Philipp zeigte mit der Abbildung des Gottes Apollon auf seinen Goldmünzen jedem Zweifler, dass er ein Liebling der Götter war. Schließlich hatten Apoll und Zeus ihm den großen Sieg über die Phoker geschenkt. Dass sie das nur einem echten Griechen gewähren würden, das verstand sich von selbst.
Die Rückseite der Münze verstärkt diese Aussage noch. Sie zeigt ein Zweigespann, das von einem Wagenlenker angetrieben wird.
Mit dieser Darstellung feierte Philipp II. den Olympiasieg, den er im Jahr 356 errungen hatte. Auch das war ein Beweis seines Griechentums, denn nur wahre Hellenen durften an den Olympischen Spielen der Antike teilnehmen. Der Sieg galt nicht nur als ein Zeichen, dass es schnelle Pferde in Makedonien gab, sondern er wurde als eine besondere Gunst des Göttervaters Zeus gewertet.
Philipp hatte seine Botschaft also klar und eindeutig in seine Goldmünzen verpackt:
‚Ich, Philipp, bin ein Grieche und ein Günstling der Götter. Sich mit mir zu verbünden, bringt allen, die sich unter meinen Schutz begeben, Vorteile.‘ Unzählige Goldmünzen trugen diese Botschaft in die ganze damals bekannte Welt hinaus, denn Philipp besaß genügend Goldbergwerke, um gewaltige Mengen an Goldmünzen zu prägen. Bald waren die Philipper so bekannt und beliebt, dass auch sein Sohn Alexander diesen Münztyp weiterprägte.
Unser Stück entstand allerdings noch etwas später, und zwar nach dem Tod Alexanders. Viele stritten damals um sein gewaltiges Reich. Einer von ihnen war Philippos Arrhideios, ein leicht schwachsinniger Sohn Philipps II. Einige Forscher nehmen heute an, dass eine kleine Serie von Münzen im Philippertyp – zu der unser Stück gehört – geprägt wurde, um seinen Anspruch auf das Erbe seines Vaters Philipp zu untermauern. Alle Stücke dieser Serie sind mit einem einzigen Vorderseitenstempel geprägt, der einen besonders eleganten Apollonkopf zeigt. Dass unser Stück in Kolophon entstanden ist, das beweist das typische Münzzeichen, der Dreifuss.
Nicht nur Lorbeer, auch der Dreifuss war ein Zeichen des Gottes Apoll. Und Kolophon herrschte ebenfalls über ein bedeutendes Heiligtum dieses Gottes. Das Orakel von Klaros war fast so berühmt wie das von Delphi. Aber davon erzähle ich Ihnen ein andermal mehr.